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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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hatte. Als er auf der Woodland war, sah er, wie McKesson auf Cornelius Langley zielte.
    »Und wo war Glen?«, fragt Garvey.
    »Hinter McKesson.«
    »Hatte er auch eine Pistole?«
    »Ich glaube, ja. Gesehen habe ich aber nur, das McKesson auf den Jungen geschossen hat.«
    Langley ließ sich nicht einschüchtern und weigerte sich auch dann noch wegzulaufen, als die Männer aus dem Volvo stiegen. Bei ihm war sein jüngerer Bruder Michael. Er stand neben ihm, als die Schießerei begann, rannte aber schreiend davon, als Cornelius zu Boden fiel.
    »Hatte Langley eine Waffe?«
    »Hab’ keine gesehen«, erwidert Reds kopfschüttelnd. »Er hätte eine haben sollen. Die Jungs von North und Pulaski verstehen keinen Spaß.«
    Garvey geht das Szenario noch einmal langsam durch, fragt hier und da nach Einzelheiten und bringt die Geschichte auf acht oder neun Protokollseiten zu Papier. Selbst wenn sie eine Anklage wegen Drogenbesitz verhindern könnten, wird sich Reds kaum als Zeuge vor Gericht eignen, nicht mit seinem langen Vorstrafenregister und den Einstichspuren, die wie die Schienen einer Modelleisenbahn an seinen Armen rauf und runter laufen. Bei Michael Langley sieht die Sache schon anders aus. McAllister geht nach unten und holt Reds ein Wasser. Der Mann stößt sich mit seinem schlanken Körper vom Tisch ab, sodass sein Stuhl mit einem kratzenden Geräusch über den Fliesenboden schrappt.
    »Das Fixen macht mich kaputt«, sagt er. »Ihr habt mir meinen Stoff weggenommen, und jetzt kann ich zusehen, wie ich damit fertig werde. Das Leben ist echt hart, Mann.«
    Garvey grinst. Eine halbe Stunde später kommen die Papiere vom Gericht im Northwest District; Reds unterzeichnet das Blatt mit seinenpersönlichen Daten und faltet seinen schlaksigen Körper auf dem Rücksitz eines Cavalier zusammen, der ihn die kurze Strecke über den Jones Falls Expressway bringen wird. An der Ecke Cold Spring Lane und Pall Mall Road sinkt er in sich zusammen und duckt den Kopf. Er will nicht in einem Zivilwagen der Polizei gesehen werden.
    »Möchten Sie an der Pimlico Road aussteigen oder woanders?«, fragt ihn Garvey, ein wenig besorgt. »Sind Sie hier sicher?«
    »Ist schon gut. Niemand in Sicht. Halten Sie hier einfach am Straßenrand.«
    »Passen Sie auf sich auf, Reds.«
    »Sie auch, Mann.«
    Am nächsten Morgen, nach der Autopsie, hält McAllister vor der Mutter des Toten seine inzwischen patentierte moralisch korrekte Rede zur Würdigung des Opfers. Er bringt sie mit solchem Ernst vor, dass Garvey wie üblich am liebsten kotzen möchte und sich fragt, ob McAllister am Ende auf die Knie fallen wird. Mac ist wie geschaffen für trauernde Mütter, kein Zweifel.
    Dabei geht es ihm diesmal um Michael Langley, der seit den Schüssen in der Woodland Avenue auf der Flucht ist. Anstatt sich als Augenzeuge des Mords an seinem Bruder zu stellen, war der Junge die zwei Blocks zu seinem Zimmer gerannt, hatte eine Tasche gepackt und sich nach Süden zum Land seiner Vorfahren in Carolina aufgemacht. Sorgen Sie dafür, dass er zurückkommt, wird McAllister die Mutter bitten. Bringen Sie ihn her, und rächen Sie den Tod ihres Sohnes.
    Und es funktioniert. Eine Woche später ist Michael wieder in Baltimore und erscheint im Morddezernat, wo er ohne Umschweife aus zwei Reihen Fotos die Aufnahmen von Glen Alexander und Walter McKesson herausfischt. Kurz darauf ist Garvey wieder im Verwaltungsbüro und tippt auf der IBM-Selectric einer Sekretärin zwei weitere Haftbefehle.
    Acht Fälle, acht Festnahmen. Während die anderen seiner Schicht dem Sommer ihre letzten Schweißtropfen opfern, hat Garvey ein Rendezvous mit einer elektrischen Schreibmaschine und bastelt weiter am Jahr seiner Träume.
    Dienstag, 9. August
    Eine Albtraumnacht, das sind drei Männer in einer scheinbar endlosen Schicht, plärrende Telefone, lügende Zeugen, und im Kühlhaus der Rechtsmedizin stauen sich die Leichen wie die Pendlerflieger über La Guardia. Und wie immer geschieht es, erbarmungslos, um Viertel vor zwölf, knapp eine halbe Stunde, nachdem Roger Nolans Team zur Tür rein ist. Als Erster erschien Kincaid, dann McAllister, dann Nolan selbst. Edgerton kommt wie immer zu spät. Doch bevor jemand auch nur seine Tasse Kaffee austrinken kann, haben sie den ersten Einsatz. Und diesmal ist es ein bisschen mehr als die übliche Leiche. Diesmal handelt es sich um polizeilichen Schusswaffengebrauch im Central District.
    Nolan ruft Gary D’Addario zu Hause an. Laut Vorschrift muss im

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