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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Und ihm?«
    Der Sanitäter schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Das höre ich aber gar nicht gern.«
    Tot bei Einlieferung. Trotzdem hatten ihm die Ärzte die Rippen gebrochen und versucht, in sein Herz noch einen Lebensfunken hineinzumassieren. Bevor Garvey fortging, hörte er noch, wie eine Stationsschwester über Lautsprecher aufgefordert wurde, den Toten aus dem Untersuchungsraum zu entfernen.
    »Sofort«, brüllte der Arzt. »Wir kriegen jemanden rein, der ausgeweidet ist.«
    Samstagabend in Bawlmer.
    »Ausgeweidet«, sagte Garvey, dem der Klang des Wortes gefiel. »Ist das nicht eine wunderbare Stadt?«
    Da das Opfer im University Hospital nicht gerettet werden konnte, sah es ganz nach einem Fall aus, bei dem kein zuverlässiger Zeuge, kein tragfähiges Beweismaterial aufzufinden waren. Doch im Präsidium berichtete die Freundin des Toten bereitwillig alles, was sie über den Mord wusste, so auch, dass es dabei um Schulden in Höhe von acht Dollar ging. Nein, sie habe es nicht gesehen, behauptete sie, aber sie habe den Jungen namens Tydee gebeten, seine Schusswaffe stecken zu lassen. Am nächsten Morgen klapperten McAllister und Garve den 1500er-Block in der Winchester Street ab und taten zwei Augenzeugen auf.
    An diesem Punkt hätte Garvey sich eigentlich die Zeit nehmen sollen, vor dem Altar der nächsten römisch-katholischen Kirche niederzuknien. Aber er tat es nicht. Stattdessen tippte er einen Haftbefehl und kehrte mit dem Gedanken in die normale Schicht zurück, dass diese kleine Glückssträhne eigentlich nur die Synthese aus investigativem Können und Zufall war.
    Es dauerte eine weitere Woche, bis Rich Garvey klar wurde, dass wirklich die Hand Gottes auf ihm ruhte. Das war nach dem Raubüberfall vom Juli auf eine Kneipe in Fairfield. Ein älterer Barmann lag im Paul’s Case tot hinter dem Tresen, und sämtliche noch lebenden Gäste in dem Etablissement waren so betrunken, dass sie nicht einmal ihren eigenen Hausschlüssel erkannten, erst recht nicht die vier Männer, die die Bude ausgeraubt hatten. Alle, bis auf den Jungen auf dem Parkplatz, der sich zufällig das Nummernschild des goldfarbenen Ford gemerkt hatte, der vom Schotterparkplatz der Bar davongejagt war.
    Heilige Maria, Mutter Gottes.
    Eine rasche Überprüfung der Kfz-Nummer im Melderegister ergab den Namen Roosevelt Smith und eine Adresse in Northeast Baltimore. Und als die Officers vor dem Haus des Verdächtigen eintrafen, war die Motorhaube, man glaubt es kaum, noch warm. Roosevelt Smith, ein kompletter Hirntoter, brauchte etwa zwei Stunden in dem großen Vernehmungsraum, um seine erste Anzahlung auf Ausweg Nummer drei zu machen:
    »Ich sag Ihnen, was ich glaube«, bot ihm Garvey an, der heute ohne seinen Power Suit zurechtkommen musste. »Dem Mann wurde ins Bein geschossen, und dann ist er verblutet, weil eine Arterie getroffen wurde. Ich glaube nicht, dass irgendwer den Mann töten wollte.«
    »Ich schwöre bei Gott«, winselte Roosevelt Smith. »Ich schwöre bei Gott, dass ich niemanden erschossen habe. Sehe ich etwa wie ein Mörder aus?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Garvey. »Wie sieht denn ein Mörder aus?«
    Eine weitere Stunde, und Roosevelt Smith gestand, für einen Anteil von 50 Dollar an der Beute den Fluchtwagen gesteuert zu haben. Außerdem gab er den Namen seines Neffen preis, der sich während des Überfalls in der Bar aufgehalten hatte. Wer die anderen beiden waren, wüsste er nicht, erklärte er Garvey, wohl aber sein Neffe. Als hätte er begriffen, dass er für einen ordentlichen Ablauf der Ermittlungen zu sorgen hatte, stellte sich der Neffe noch am selben Morgen und reagierte unverzüglich auf McAllisters klassische Verhörtechnik: den mütterlichen Appell an das Gewissen.
    »Meine M-m-mutter ist total krank«, erklärte er den Detectives mit einem grausamen Stottern. »Ich m-muss n-n-nach Hause.«
    »Nun, ich wette, Ihre Mutter wäre wirklich stolz, wenn sie Sie jetzt sehen könnte, oder?«
    Noch zehn Minuten, und der Neffe vergoss Tränen und hämmerte an die Tür des Vernehmungsraums, damit die Detectives zurückkamen. Er erwies seiner Mutter einen Liebesdienst und gab die Namen der anderen beiden Männer preis. Garvey, McAllister und Bob Bowman arbeiteten rund um die Uhr, tippten Durchsuchungsbefehle für zwei Adressen in East Baltimore und trafen kurz vor Tagesanbruch dort ein.In dem Haus in der Milton Avenue fanden sie einen Verdächtigen und ein 45er-Gewehr, das Zeugen bei dem Überfall gesehen hatten. Die

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