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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Tatsache, dass sich zwei weiße Juden über die Freiheit eines Schwarzen Wortgefechte liefern, ein wenig die Spitze nimmt. Den schwarzen Geschworenen fällt es so gewiss leichter, daran zu glauben, dass die Justiz auch ihre Seite vertritt.
    Während Gordon seine Einführung beendet und Doan zu seinem Plädoyer ansetzt, sitzt Garvey im Vorraum und kämpft mit dem Kreuzworträtsel in der Morgenausgabe der
Sun.
    »Britische Schusswaffe«, sagt Garvey. »Mit vier Buchstaben.«
    »S-T-E-N«, buchstabiert Dave Brown vom anderen Ende der Bank, der dort für den Fall sitzt, dass die Zeugenaussagen bis zum Mord an Purnell Booker kommen. »Eine britische Schusswaffe im Kreuzworträtsel ist immer eine Sten.«
    »Stimmt«, sagt Garvey.
    Beide hören nicht, wie Doan die Geschworenen begrüßt, wie er sie ermahnt, nicht zu vergessen, dass es hier um einen Mordfall geht, einen gemeinen, hässlichen, grausamen Mord, darum, dass jemand einem anderen Menschen vorsätzlich das Leben genommen hat. Dann setzt Doan zu einer langen, gewundenen Rede an, in der er die Geschworenen ermahnt, sich keine falschen Vorstellungen zu machen.
    »Wir sind hier nicht im Fernsehen«, erklärt er. »Im Unterschied zum Krimi geht es uns nicht um das Motiv, sondern nur darum, ob es ein vorsätzlicher Mord war. Sie wissen nicht genau, warum es passiert ist. Wahrscheinlich würden Sie es gerne wissen, wie jeder, der mit der Verfolgung des Falles befasst ist. Aber wir brauchen das Motiv nicht, um das Verbrechen zu beweisen.«
    Und dann bringt Doan den Klassiker, das Puzzle, eine im Gerichtssaal von beinahe jedem amerikanischen Staatsanwalt bemühte Metapher.Sie müssen sich den Fall wie ein Puzzle vorstellen, erklärt Doan den Geschworenen. Wenn man ein altes Puzzle aus dem Schrank holt, fehlen oft ein paar Teile. »Aber, Ladies und Gentlemen, wenn sie das Puzzle dann zusammensetzen, können Sie trotz der fehlenden Teile erkennen, was es darstellt.«
    Anschließend rollt Doan die Geschichte von Charlene Lucas auf. Er berührt alle wesentlichen Punkte: ihre Beziehung zu Robert Frazier, ihre Verwicklung in Drogengeschichten, das Verbrechen selbst und die Ermittlungen, die darauf folgten. Doan erzählt den Geschworenen von Romaine Jackson, die Frazier als den Mann identifiziert hat, der Lena am Abend des Mords besuchte; er berichtet von Fraziers erster Befragung durch Garvey, in der der Angeklagte ein Alibi vorlegte und versprach, seine 38er vorbeizubringen; er erzählt ihnen von Sharon Denise Henson, genannt Nee-Cee, die Fraziers Alibi nicht bestätigen wollte. Er schildert ihnen das Kleiderhäufchen, und dass das Opfer nackt war und der Täter sich nicht gewaltsam Zutritt verschafft hatte – alles Anzeichen dafür, dass Lena von jemandem ermordet wurde, den sie gut kannte.
    »Geben Sie Mr. Frazier seinen fairen Prozess«, sagt Doan der Jury. »Geben Sie ihm seinen fairen Prozess, aber geben Sie auch Charlene Lucas und ihrer Familie ihren fairen Prozess. Wenn Sie alle Teile zusammengesetzt haben und das Puzzle vor Ihnen liegt, werden Sie das Bild sehen. Und dieses Bild wird Ihnen zeigen, dass der Angeklagte Charlene Lucas getötet hat. Danke schön!«
    Der Staatsanwalt lässt den Mord an Purnell Booker und das ballistische Gutachten, das einen Zusammenhang mit der Ermordung von Lena Lucas herstellt, unerwähnt. Er sagt auch nichts über Vincent Booker, der zugegeben hat, Frazier vor beiden Morden mit 38er-Wadcutter-Munition versorgt zu haben und den Detectives erzählt hat, sein Vater sei getötet worden, weil er Frazier die Drogen gestohlen habe. Das Gericht hat bereits im Vorverfahren auf Antrag entschieden, dass der Mord an Booker vor den Geschworenen nicht erwähnt werden darf – eine Entscheidung, mit der beide Anwaltsparteien einverstanden sind. Doan weiß ebenso gut wie Polansky, dass man bei Vincent Booker mit allem rechnen muss. Ein guter Anwalt stellt niemals eine Frage, wenn er nicht vorher die Antwort kennt, und bei Vincent Booker wäre sichPolansky nicht sicher, wie sie ausfallen würde. Als Fraziers Anwalt bräuchte er Vincent Booker nur andeutungsweise zu erwähnen, und die Geschworenen könnten sich einen anderen Täter vorstellen. Doch auch er will es nicht riskieren, Booker in den Zeugenstand zu rufen. Wenn ein Pulverfass explodiert, weiß man nie, wer zu Schaden kommt.
    Polansky berichtet den Geschworenen in seinem Eröffnungsplädoyer, dass Robert Frazier »die vergangenen acht Monate im Stadtgefängnis von Baltimore darum gekämpft hat,

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