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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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dem Detective langsam den Tatort in der North Gilmor 17 durchzugehen. Garvey beschreibt die Wohnung und vergisst auch nicht, die Sicherheitseinrichtungen zu erwähnen, einschließlich der abgeschalteten Alarmanlage. Er liefert eine detaillierte Beschreibung des Tatorts, und die Geschworenen hören noch einmal, dass es keine Spuren von gewaltsamem Eindringen gab. Er berichtet von dem Kleiderhaufen und den Kratzern am Kopfteil des Betts, die darauf schließen lassen, dass Lena Lucas erstochen wurde, als sie auf dem Bett lag. Dann tritt Garvey auf Bitten Doans zur Geschworenenbank, wo der Staatanwalt ihm die Fotos des Tatorts vorlegt, die bereits als Beweismittel zugelassen sind.
    Solche Fotos werden im Gerichtssaal leicht zum Zankapfel, weil die Verteidigung stets argumentiert, der Anblick des blutigen Opfers würde die Geschworenen unangemessen beeinflussen, während die Staatsanwaltschaft darauf pocht, dass die Fotos einen hohen Beweiswert haben. Meistens können sich dabei die Staatsanwälte durchsetzen, wie es auch diesmal Doan gelungen war. So sind Lena Lucas und ihre Wunden nun unter dem anhaltenden Protest von Polansky in Hochglanz aus allen Blickwinkeln vor den Geschworenen ausgebreitet. Die Geschworenen wirken beeindruckt.
    Nach zehn Minuten kehrt Garvey in den Zeugenstand zurück, wo Doan nun auf die Untersuchung des Tatorts und die Befragung der Nachbarn zu sprechen kommt. Der Staatsanwalt legt besonderen Wert auf die Straßenbeleuchtung vor dem Reihenhaus in der Gilmor Street, sodass Garvey ihm das Licht der Natriumdampflampen in der Mitte des Blocks genauestens beschreibt – womit er das Fundament für die bevorstehende Zeugenaussage von Romaine Jackson legt.
    »Im Augenblick habe ich keine weiteren Fragen an Detective Garvey«, erklärt Doan nach fünfundzwanzig Minuten. »Ich möchte den Zeugen aber später noch einmal aufrufen.«
    »Gut«, sagt Gordy. »Kreuzverhör, Mr. Polansky.«
    »Aus denselben Gründen möchte ich mein Kreuzverhör auf die unmittelbar angesprochenen Punkte beschränken.«
    Soll mir recht sein, denkt Garvey, ruhig und gefasst. Wenn nur die Standardfragen zum Tatort abgehandelt werden, überlegt er, wird es heute Nachmittag keine großen Kontroversen mehr geben.
    Polansky geht auf einige Einzelheiten der Stichwunden ein und lässt sich vom Detective bestätigen, dass sie dem Opfer vor dem Kopfschuss zugefügt wurden, was sich durch die bei der Abwehr an den Händen entstandenen Verletzungen beweisen lässt. Der Verteidiger befasst sich außerdem mit der leeren Handtasche, dem aufgeschnittenen Reissack und den leeren Gelatinekapseln auf dem Fußboden des Schlafzimmers. »Würden Sie mir zustimmen, dass wer immer Miss Lucas überfallen und getötet hat, wahrscheinlich auch die Drogen mitgenommen hat, die in ihrer Handtasche waren?«
    »Einspruch«, ruft Doan.
    Der Richter stimmt ihm darin zu, dass die Frage des Verteidigers zu spekulativ ist. Dennoch hat Polansky es geschafft, mit ihr die Figur von Vincent Booker im Gerichtssaal zu beschwören. Warum um alles in der Welt sollte Frazier jemanden ermorden, um Drogen zu stehlen, die ihm schon gehörten? Der einzige denkbare Grund wäre, dass er den Mord wie einen Drogenraub aussehen lassen wollte.
    Polansky fährt mit einer Auflistung der Drogenutensilien fort, die am Tatort verstreut waren. Auf diese Weise will er seinen Punkt auf einem anderen Weg einbringen. Dann kommt er auf das Kleiderhäufchen zurück. Die Wohnung sei doch sehr ordentlich gewesen? Sehr ordentlich, stimmt ihm Garvey zu.
    »Machte es nicht den Eindruck, als ob da jemand wohnt, der nicht einfach seine Kleider auszieht und auf den Boden wirft, sondern sie erst ordentlich zusammenfaltet und dann weglegt? Würden Sie dem zustimmen?«
    Herrje!, denkt Garvey, was für ein hinterhältiger Bastard. »Nein«, sagt der Detective. »Das würde ich nicht.«
    Polansky überlässt es den Geschworenen, ihre Schlüsse aus dem offensichtlichen Widerspruch zu ziehen, und wendet sich dem Beweisstück mit der Nummer 2U zu, einem Foto des Fußbodens im Schlafzimmer, das gemacht wurde, nachdem man das Bett angehoben hatte. Der Verteidiger deutet auf eine Packung Zigaretten der Marke Newport auf dem Boden.
    »Und gab es auch einen Aschenbecher?«, will er wissen.
    »Ja, Sir«, antwortet Garvey.
    »Haben Sie überprüft, ob Ms. Lucas Raucherin war?«
    Mist, denkt Garvey. Der lässt nicht locker. »Ich kann mich nicht erinnern, ob ich das überprüft habe oder nicht.«
    »Glauben Sie nicht,

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