Homicide
Herbst ein paar dicke Brocken an Land gezogen hatten. Zum Jahresabschluss konnten Landsmans Männer einen Fall nach dem anderen aufklären.
Alles, was sie in den letzten zwei Monaten angepackt hatten, war ihnen gelungen. Zu Beginn löste Dunnigan einen Drogenhinterhalt am Johnston Square, dann folgte Pellegrini mit einem Totschlag auf der Alameda Avenue Street, bei dem ein Idiot beim Angeben mit seiner neuen Halbautomatik einen Vierzehnjährigen getötet hatte. Etwas später bekamen Holley, Requer und Dunnigan zwei Fälle von häuslicher Gewalt, und eine Woche darauf gelang Requer die schwer erkämpfte Aufklärung eines Drogenmords in der Dealerszene von Gold und Etting.
Im darauffolgenden Monat hatte jedes Mitglied seines Teams nach nur ein, zwei Tagen mindestens einen weiteren Fall abgeschlossen. Die Glückssträhne, die das Team offenbar erwischt hatte, färbte sogar auf Pellegrini ab, der an einem Winterabend das Telefon abnahm und prompt mit seinem zweiten Fall einer versehentlich losgegangenen Schusswaffe belohnt wurde. Offenbar meinte das Schicksal, es sei ihm etwas schuldig.
Wenn Landsman an diesem Abend die Zeit findet, kann er seineSpalte auf der Tafel betrachten und zufrieden auf einen dicken Balken schwarzer Tinte blicken. Zwölf geklärte Fälle untereinander, und dieser eine – der rätselhafte Mord an der Frau, die in der Fabrik am Broenig Highway erstochen wurde, während dreihundert Angestellte ihre Spätschicht ableisteten –, nun, er wird nicht zulassen, dass solch ein dummer Fall seine Serie durchbricht. Kann es wirklich ein Whodunit sein, wenn eine junge Frau während der Arbeitsstunden in einer Fabrik ermordet wird? Unmöglich, denkt Landsman. Irgendwo versteckt sich darin ein Dunker. Ich muss ihn nur finden.
Als Graul und Kincaid an diesem Abend bei den Lever-Brothers-Werken eintrafen, brachte man sie in den ersten Stock des Hauptgebäudes zur Leiche der einunddreißigjährigen Kantinenchefin, die in der nicht weit entfernten Männertoilette auf dem Boden lag. Ihr Körper war von einer ganzen Reihe Stichen durchlöchert, wobei einer in die Halsschlagader offenbar tödlich gewesen war. Bluse und BH waren hochgeschoben, was auf ein Sexualverbrechen hindeutete, und die Blutspritzer an der Kabinentrennwand und ihre Abwehrspuren an den Händen ließen auf einen kurzen Kampf schließen. Die Tatwaffe, wahrscheinlich ein größeres Küchenmesser, fehlte.
Die Kantine war nach dem Abendessen geschlossen, jedoch nicht abgesperrt worden, sodass alle, die im Gebäude waren, sie hatten betreten können. Kurz bevor man den Mord entdeckte, hatten Ernestine Haskins und ihre zwei männlichen Mitarbeiter aufgeräumt und sich zum Heimgehen fertig gemacht; aus diesem Grunde musste man sich mit den beiden Angestellten der Kantine besonders ausführlich befassen. Der eine hatte die Tote entdeckt, und der andere war noch Minuten zuvor bei der Frau in der Küche gewesen.
Während die beiden Detectives auf das Schichtende in der Fabrik warteten, nahmen sie den Tatort auf. Sie schritten die Kantine auf ganzer Länge ab, dann suchten sie im restlichen ersten Stock nach einer Blutspur oder anderen Auffälligkeiten. Bei Schichtwechsel kurz vor Mitternacht ging Kincaid nach unten zum Eingangstor des Werkgeländes und beobachtete, wie die Belegschaft sich ausstempelte und am Sicherheitsposten vorbeiging. Er sah jedem vorbeikommenden Mann direkt in die Augen und musterte seine Schuhe und Hosenaufschläge auf verräterische rotbraune Flecken.
Graul ging unterdessen einem Hinweis nach, den er während der ersten Befragung von einem der Kantinenmitarbeiter bekommen hatte. Als er sich erkundigte, ob Ernestine Haskins in der Fabrik einen Freund oder Verehrer habe, nannte ihm ihr Kollege den Namen eines Mannes, der, wie nicht anders zu erwarten, gerade auf Schicht war. Vom Sicherheitsdienst der Firma herbeigerufen, erschien der Mann in der Kantine, und als man ihm von dem Mord berichtete, gab er sich nicht sonderlich überrascht. Das allein bedeutete noch nicht viel; die Nachricht von der Tat hatte sich schon im Betrieb herumgesprochen, ehe die Detectives eintrafen. Auffälliger jedoch war sein bereitwilliges Eingeständnis, dass er sich für Ernestine Haskins interessiert hatte. Er wusste, dass sie verheiratet war, trotzdem hatte er den Eindruck gehabt, sie sei ihm mehr als freundlich gesonnen, und sich Chancen ausgerechnet.
Kincaid und Graul unterzogen die Kleidungsstücke des Mannes einer sorgfältigen Inspektion,
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