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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Angestellten durch das Hauptbüro ins Aquarium gebracht hat. Die Vernehmer spielen mit den Tatverdächtigen »Reise nach Jerusalem«.
    »Was ist mit dem Geld passiert?«, fragt Landsman drohend.
    »Welches Geld?«
    Falsche Antwort. Landsman platzt der Kragen, und er bombardiert Wiesel Nummer zwei mit Vorwürfen. Sie hätten bereits von dem Diebstahl gehört, es sei ein schweres Verbrechen, was da begangen wurde, außerdem hätte man ihnen erzählt, dass er den Diebstahl der Geldkassette schon länger ins Auge gefasst hatte. Ernestine Haskins habe es entdeckt, den Dieb in der Männertoilette zur Rede gestellt und deshalb sterben müssen.
    »Ich habe das Geld nicht gestohlen.«
    »Ihr Freund sagt aber was anderes.«
    Hilfesuchend blickt sich der Mann im Raum um. Kincaid und Graul sehen ihn an, ohne die Miene zu verziehen.
    »Kapieren Sie nicht?«, schnauzt Landsman. »Er hat Sie reingehängt.«
    »Was?«
    »Er sagt, Sie sind der Mörder.«
    »Ich bin … was?«
    Himmel noch mal, denkt Landsman, müssen wir es ihm buchstabieren? Langsam und mühselig machen sie es ihm klar.
    »Das hat er gesagt?«
    »Ganz genau«, meint Kincaid.
    »Aber er ist es doch gewesen«, braust der Mann auf. »Er war es.«
    Gut, denkt Landsman, als er wieder in den Korridor stürmt. Mehr kann ich nicht erwarten. Schließlich haben sie einen knallharten Whodunit gerade auf einen simplen Fall mit zwei Hauptverdächtigen zurückgeschraubt. Jetzt gibt es für einen Detective nichts Schöneres, als Wiesel Nummer eins mit Wiesel zwei in einem Käfig zusammenzusperren.
    Doch als Landsman ins Aquarium biegt, kommt er nicht mehr dazu, denn ihr erstes Wiesel ist noch damit beschäftigt, das Futter der Winterjacke seines Kollegen mit Bündeln von Dollarnoten zu polstern.
    »S CHEISSE … VERDAMMT NOCH MAL, WAS MACHEN S IE DA ?«
    Der junge Mann erstarrt, als habe man ihn beim Naschen erwischt.
    »W AS, ZUM T EUFEL … GEBEN S IE HER «, herrscht Landsman ihn an. Er packt den Mann am Arm und stößt ihn auf den Flur. Im Jackenfutter finden sie dicke Bündel mit Fünf-, Zehn- und Zwanzig-Dollar-Noten. Den Rest des Geldes hat der Angestellte noch immer in seinen eigenen Jackentaschen. Er starrt Landsman dümmlich an, als Graul und Kincaid, die Landsman gehört haben, herbeigelaufen kommen.
    Landsman schüttelt verwundert den Kopf. »Während wir mit seinem Kollegen sprechen, hockt dieser verfluchte Blödmann auf dem Sofa und steckt seinem Kumpel das Geld in die Jacke. Als ich reinkomme, schiebt er ihm gerade die Scheine unters Futter …«
    »Was? Jetzt eben?«, fragt Kincaid.
    »Ja. Ich komme rein, und er schiebt das Geld unters Futter.«
    »Nicht zu fassen!«
    »Ja«, sagt Landsman und lacht zum ersten Mal in dieser Nacht. »Kaum zu glauben.«
    Stunden später hat der Mann den Mord gestanden – oder das abgegeben, was er für ein Geständnis hält (»Ja, ich habe ihr das Messer an den Hals gesetzt, sie aber nicht geschnitten. Sie muss sich bewegt haben, oder so«). Landsman sitzt im Hauptbüro und analysiert den Fall, während Graul den Antrag auf Haftbefehl tippt.
    »Bei all dem Schwachsinn, den er uns über die beiden anderen erzählt hat«, erklärt er Kincaid, »hätte ich eigentlich schon viel eher misstrauisch werden müssen.«
    Das mag sein, und vielleicht können sie daraus etwas lernen. Wenn man in einem Mord ermittelt, kommt man mit Vorbereitung, Geduld und Feingefühl nur bis zu einem bestimmten Punkt. Alles, was über das gewohnte Maß an Vorsicht und Präzision hinausgeht, kann auch zu einer hinderlichen Last werden. Man nehme nur Pellegrini, der die Nacht des Mords an Ernestine Haskins so verbracht hat wie viele andere zuvor – indem er nach einem logischen Ansatz suchte in einem Fall, der unlogisch war, indem er sich um wissenschaftliche Exaktheit bei etwas bemühte, bei dem es niemals exakt zugeht. Landsman hat seine eigene Methode des Wahnsinns: knallharte, unerschütterliche Logik, gemischt mit Impulsivität und Wutausbrüchen. Pellegrinis Wahnsinn hingegen ist die zwanghaft systematische Suche nach der Wahrheit.
    Auf Pellegrinis Schreibtisch im Anbau stapeln sich etwa ein Dutzend Zeugnisse seines einsamen Kreuzzuges gegen das Verbrechen. Schriftliches Material über neue Vernehmungsmethoden, Artikel über Verhörspezialisten oder auf die Planung von Verbrechensermittlungen spezialisierte Privatfirmen, Taschenbücher über indirekte Botschaften und Körpersprache und sogar einige Protokolle über seine Treffen mit einem Medium, das

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