Homicide
Pellegrini in der Hoffnung konsultiert hatte, durch übersinnliche Ermittlungsmethoden etwas zutage zu fördern. All das hat sich zu der Papierflut des Latonya-Wallace-Falls gesellt.
Nach Pellegrinis Ansicht sind beide Seiten gleichberechtigt: Intuition allein genügt nicht, aber Gefühle gehen manchmal über Genauigkeit. Zweimal hatte sie den Fish Man bereits in einem ihrer schallgeschützten Verschläge gehabt, zweimal hatten sie sich auf ihr Können und ihren Instinkt verlassen, und zweimal wurde er von einem Funkwagen des Central District wieder nach Hause gefahren. Doch ohne Geständnis, das weiß Pellegrini, wird diese Ermittlung nicht abgeschlossen werden können. Die Zeugen, sofern es überhaupt welche gibt, werden sich nie melden. Den eigentlichen Tatort werden sie nie finden. Weitere Spuren werden nicht auftauchen.
Für seinen letzten Vorstoß gegen den Fish Man setzt der leitende Ermittler im Fall Latonya Wallace seine Hoffnung auf Verstand und Präzision.Mag Landsman noch weitere zwanzig Verdächtige überrumpeln wie den Mörder von Ernestine Haskins, für Pellegrini zählt das nicht. Er hat die Vernehmungsprotokolle seines Hauptverdächtigen gelesen, studiert und sorgfältig analysiert. Tief in seinem Innern denkt er, dass es irgendetwas Sicheres geben muss, irgendeine quasimathematische Methode, dem Schuldigen ein Geständnis zu entlocken, die den Detectives von Baltimore nur noch nicht bekannt ist.
Einen Monate zuvor, als Pellegrini am zweiten seiner beiden Unfälle beim Hantieren mit Schusswaffen herumknapste, hatte Landsman allerdings wieder einmal bewiesen, dass ein Detective mit Behutsamkeit und Logik oft nicht weiterkommt. Auch damals hatte sich Landsman zunächst eine Zeit lang zurückgehalten und still im Hintergrund gewartet, während sich seine Detectives die abweichenden Darstellungen dreier Zeugen zu einer Schießerei in einem Reihenhaus anhörten, bei dem ein Jugendlicher vom Indianerstamm der Lumbee ums Leben kam. Sie hätten im Wohnzimmer Bier getrunken und Videospiele gespielt, erklärten die Zeugen. Plötzlich habe es an der Eingangstür geklopft, und eine Hand habe sich durch die Tür geschoben. Eine Hand mit einem Revolver. Und dann sei aus heiterem Himmel ein einziger Schuss gefallen.
Pellegrini ließ die beiden Teenager ihre Geschichte wieder und wieder erzählen und beobachtete sie scharf. Er achtete auf die kleinen Signale, durch die sich ein Lügner verrät, wie es im Lehrbuch der Verhörtechnik beschrieben wird. Der eine Zeuge konnte den Blick nicht halten, wenn er antwortete, wohinter sich laut Handbuch Unaufrichtigkeit verbergen konnte. Der andere wich stets zurück, wenn Pellegrini ihm nahe kam, was auf einen introvertierten Menschen hindeutete, der nicht zu stark unter Druck gesetzt werden durfte.
Zusammen mit seinem Sergeant ging Pellegrini die Darstellungen der Jugendlichen über eine Stunde lang durch, entdeckte ein paar Widersprüche und überführte sie einiger auffälliger Lügen. Es war geduldig, und es war methodisch. Und es brachte ihn kein Stück weiter.
Irgendwann nach Mitternacht hatte Landsman es satt. Er zerrte einen pickligen, übergewichtigen weißen Teenager in sein Büro, knallte die Tür hinter sich zu und begann zu wüten. Er warf die Schreibtischlampe auf den Boden, und als die Leuchtstoffröhre auf dem Boden zerplatzte,kauerte sich der Junge schon in Erwartung der Prügel zusammen, die allerdings ausblieben.
»I CH HAB’ DIE S CHNAUZE VOLL VON DIESEM GANZEN S CHEISS! «
Verstört starrte der Junge die Wand an.
»H AST DU GEHÖRT? I CH HAB’ DIE S CHNAUZE VOLL . W ER HAT GESCHOSSEN? «
»Ich weiß nicht. Wir haben die Hand gesehen …«
»D U LÜGST ! L ÜG MICH NICHT AN .
« »Nein …«
»V ERFLIXT NOCH MAL . I CH WARNE DICH .«
»Schlagen Sie mich nicht!«
Der dritte Zeuge und Freund des Dicken, ein schwarzer Junge aus den Southeast-Siedlungen, saß im Aquarium und bekam jedes Wort mit. Als Landsman wutschnaubend auf den Korridor kam, verwirklichte sich für ihn ein Albtraum. Der Detective schnappte sich den Jungen und trieb ihn ins Büro des Verwaltungsleiters. Dort überschüttete er ihn mit einer Flut von Schimpfwörtern. Nach einer halben Minute war alles vorbei.
Als Landsman kurz darauf in sein eigenes Büro zurückkam, nahm er sich den dicken Jungen noch einmal vor. »Du hast gelogen, das ist jetzt klar. Dein Freund hat dich verpfiffen.« Der Dicke nickte nur, fast schon erleichtert. »Ich wollte Jimmy nicht treffen. Der Schuss
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