Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
Vom Netzwerk:
Morddezernat der Stadt drei oder vier Morde pro Jahr ersparen, da waren sie sich einig. Trotzdem gibt es innerhalb der Polizei von Baltimore bis heute heftige Auseinandersetzungen über den Sinn solcher ausgedehnten Ermittlungen. Edgerton und Burns wurden nach dem Prozess gegen Williams wieder ins Morddezernat und den normalen Schichtdienst zurückbeordert.
    Mit dem Ausgang des Falls Andrea Perry war Edgerton zufrieden. Eugene Dale, der von ihm gefasste Täter, war im Jahr 1988 der einzige von 200 wegen eines Tötungsdelikts Angeklagten, für den die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe forderte. (Dazu entschied man sich, nachdem die DNA-Tests zweifelsfrei erwiesen hatten, dass die an der Leichedes Mädchens sichergestellten Spermaspuren von ihm stammten.) Zwar wurde am Ende kein Todesurteil ausgesprochen, aber Dale wurde wegen Mord und Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit auf Bewährung verurteilt.
    Sollte Edgerton wirklich ins Morddezernat zurückkehren, ist unklar, wo er eingesetzt wird. Das Team von Roger Nolan, das er 1989 verlassen hat, existiert jedenfalls nicht mehr.
    Es begann sich 1989 aufzulösen, als Edgerton und Williams zu den Ermittlungen gegen Williams abkommandiert wurden. Als es kurz danach zu einer Umgruppierung kam, die zwei von Stantons Männern in Nolans Team brachte, ließ sich Donald Kincaid in eine andere Mannschaft versetzen. Er arbeitet daraufhin unter Jay Landsman, wo er sich zumindest eine Zeit lang recht wohlfühlte – und Landsman war zufrieden, einen erfahrenen Detective an Land gezogen zu haben. Doch kaum waren einige Monate ins Land gegangen, war Kincaid wieder in Konflikte verwickelt – diesmal mit dem neuen Lieutenant, der versuchte, einige der Altgedienten, darunter auch Kincaid, etwas mehr an die Kandarre zu nehmen. Am Ende siegte bei Kincaid der aufgestaute Groll, im Sommer 1990 beantragte er seine Rente und schied nach vierundzwanzig Jahren aus dem Polizeidienst aus.
    Die Konflikte, in die er erst mit Edgerton und dann mit dem Lieutenant geriet, offenbarten eine der großen Wahrheiten über den Polizeidienst. Für einen Detective wie für einen Streifenpolizisten liegt die einzige wirkliche Befriedigung in der Arbeit selbst. Wenn ein Cop sich mehr und mehr über Kleinigkeiten zu ärgern beginnt, ist die Sache im Grunde gelaufen. Das Verhalten der Kollegen, die Gleichgültigkeit der Vorgesetzten, die miserable Ausstattung – all das zählt nicht, solange man Spaß am Job hat. Doch es wird zum Problem, wenn man ihn verliert.
    Der Mord an Latonya Kim Wallace – dem Engel von Reservoir Hill, wie sie in Baltimore genannt wurde – ist bis auf den heutigen Tag ungeklärt. Die Akten sind längst ins Archiv gewandert. Die Detectives aus Landsmans Team verfolgen den Fall nicht mehr aktiv, sind aber bereit, jederzeit neuen Hinweisen nachzugehen.
    Für Tom Pellegrini war der Ausgang des Falls mit Frustration undZweifeln verbunden, die ihn ein ganzes Jahr lang plagten. Bis weit ins Jahr 1989 nahm er sich immer wieder Aspekte des Falls vor, worunter andere Ermittlungen litten. Es war für ihn nur ein geringer Trost, dass er sich am Ende sagen konnte, die Ermittlungen seien mit größerer Sorgfalt und Hartnäckigkeit geführt worden als bei jedem anderen Mord aus jüngerer Zeit. Je mehr man sich bemüht, desto größer die Enttäuschung.
    Monate nach der letzten Vernehmung des Fish Man nahm sich Pellegrini die Akte noch einmal vor. Er prüfte, was an Spuren vorhanden war, trug die vorhandenen Informationen zusammen und tippte ein ausführliches Memorandum für die Staatsanwaltschaft. Es läge genügend vor, um die Sache als Indizienfall vor eine Grand Jury zu bringen, erläuterte er. Pellegrini war jedoch nicht überrascht, als ihm Tim Doory eine Absage schickte. Der Mord an dem kleinen Mädchen hatte einfach zu viel Wirbel in den Medien gemacht, als dass sich die Staatsanwaltschaft auf das dünne Eis eines Indizienprozesses begeben oder den Versuch wagen wollte, dem Verdächtigen durch die Drohung mit einem Prozess ein Geständnis zu entlocken. Und von den mit dem Fall befassten Detectives hielten ihn mehr als einer nicht für den wahren Mörder. Wäre er schuldig, so ihr Argument, hätte man in den drei ausführlichen Verhören seine Geschichte zumindest teilweise erschüttern können.
    Pellegrini fand sich schließlich mit dem Zwiespalt ab. Zwei Jahre, nachdem er das Gelände hinter der Newington Avenue zum ersten Mal betreten hatte, erklärte er den

Weitere Kostenlose Bücher