Homicide
Verbrechens wurde, und wo sie wohnten.
Angesichts des jugendlichen Alters ihrer Zeugin und der einschüchternden Umgebung des Büros eines Staatsanwalts wunderten sich die Ermittler, dass sie überhaupt Druck auf das Mädchen ausüben mussten, ehe es die Namen seiner Freundinnen preisgab. Als sie schließlich doch den Mund aufmachte, konnten McLarney und die anderen ihr nur Vor- undSpitznamen entlocken: Lulu, Renee, Tiffany und Munchkin. Sie wohnten anscheinend alle im selben Hochhauskomplex, den Murphy Homes. McLarney, Belt und Tuggle fuhren zu den Sozialbauten und fanden auch Mädchen, die auf diese Namen hörten, aber keines von ihnen wusste etwas von der Schießerei. Und ihre dreizehnjährige Zeugin wollten sie auch alle nicht kennen.
Noch einmal ließ McLarney seine Leute auf die Suche nach dem schwarzen Ford Escort ausschwärmen, den Clifton Frazier angeblich benutzt hatte, um Owens vom Tatort wegzubringen. Aber es gelang nicht, ein solches Fahrzeug mit Frazier und Owens in Verbindung zu bringen, obwohl die Männer mehrere Tage damit zubrachten, schwarzen Escorts zu folgen, die sie in der Nähe des Tatorts sichteten.
Ihre Bemühungen, die Angaben ihrer beiden Zeugen bestätigt zu bekommen, blieben erfolglos. Und die Anwälte des Tatverdächtigen schienen sogar mit einer Reihe von Alibizeugen aufwarten zu können, die bereit waren, auszusagen, dass Anthony Owens zur Tatzeit nicht in der Appleton Street gewesen war. Irgendetwas war schief gelaufen. McLarney, der spürte, dass sie in einer Sackgasse steckten, fing noch einmal ganz von vorne an. Vor drei Tagen hatte er sich die Akte erneut vorgenommen und die ersten Aussagen der Anwohner studiert, die man aus der Menge der Schaulustigen herausgegriffen und zur Befragung aufs Präsidium gebracht hatte. Alle diese Personen hatten behauptet, dass sie nichts wüssten und erst nach den Schüssen auf die Straße gelaufen seien. Da es nichts zu verlieren gab, entschied McLarney, sämtliche Aussagen noch einmal überprüfen zu lassen. Das hieß, alle diese Zeugen noch einmal aufzusuchen. Nachdem sie sich einen Tag lang die Hacken abgelaufen hatten, stießen sie auf einen Einundzwanzigjährigen namens John Moore, der in der Mosher Street wohnte.
Am Abend der Schießerei war Moore von Uniformierten an einer Straßenecke aufgegriffen und aufs Präsidium gebracht worden, wo er den Detectives erzählte, dass er die Schüsse gehört, aber nichts gesehen habe. Doch nachdem die Detectives ihn im großen Vernehmungsraum mehrere Stunden lang weichgekocht hatten, tischte er ihnen eine andere Geschichte auf.
Die eigentliche Schießerei hatte Moore nicht gesehen, aber alles, was ihr unmittelbar voranging. Er saß an jenem Abend des 22. Oktoberauf der Treppe vor seinem Haus, von wo aus er beobachtete, wie Clifton »Butchie« Frazier und ein Mädchen, das er nicht kannte, auf der Mosher Street Richtung Westen zur Appleton Street unterwegs waren. Frazier und das Mädchen befanden sich auf halber Höhe des Blocks, als ein Polizeiwagen langsam die Straße entlangkam. Moore beobachtete, wie der Streifenwagen an dem Paar vorbeizog und in die Appleton einbog. Einige Sekunden später verschwanden auch Frazier und das Mädchen um die Ecke.
Dann fielen drei Schüsse.
Auf die Frage, ob an der Ecke Mosher/Appleton Leute gestanden hätten, antwortete Moore, dort sei zum Zeitpunkt der Schüsse niemand gewesen. Er gab auch die Adresse eines neunzehnjährigen Freunds an, der mit ihm auf der Treppe gesessen hatte.
Der zweite Zeuge schilderte den Ablauf genau wie Moore und fügte noch zwei Details hinzu. Erstens konnte sich der Freund erinnern, dass in dem Augenblick, als der Streifenwagen an dem Paar auf der Mosher Street vorbeizog, der Officer am Steuer und Butchie Frazier einen Blick gewechselt hatten. Zweitens, und das war viel wichtiger, das Mädchen, mit dem Frazier unterwegs gewesen war, hieß Yolanda. Sie wohnte um die Ecke in der Monroe Street. Und ja, wenn es sein müsse, könne er ihnen das Haus zeigen.
Am Morgen hatten McLarney und seine zwei Männer in der Diele dieses Reihenhauses in West Baltimore darauf gewartet, bis Yolanda Marks ihre Sachen beisammenhatte und sie dann zu dem wartenden Cavalier begleitet. Sie war ein siebzehnjähriges Ding mit einem Trauergesicht. Aus ihren braunen Augen schossen Tränen hervor, sobald im Präsidium die Tür des Vernehmungsraums hinter ihr zuging. Da Yolanda noch eine Jugendliche war, hatte man auch ihre Mutter mitgenommen, was sich als großes
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