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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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dürfen? Aber vor allem fragte sich McLarney, ob er damit würde leben können.
    An einem 1. September war es dann so weit. Es war ein schöner Tag, und McLarney erinnerte sich an das Wetter, weil wieder einmal ein Sommer in Baltimore zu Ende ging und er es hasste, an warmen Tagen mit der schusssicheren Weste herumlaufen zu müssen. Er hörte den Funkspruch, als er gerade die Tankstellen einige Blocks weiter westlich in Calverton überprüfte. Er schaltete das Blaulicht ein und raste durch Edmondson. Kaum war er am Tatort angekommen, meldete ein zweiter Funkspruch einen Tatverdächtigen auf der Bentalou Street. McLarney versuchte es mit der ersten nördlichen Querstraße. Langsam fuhr er hinab. Etwa in der Mitte des Blocks saß ein älteres Ehepaar still auf seiner Veranda im Schatten. Als McLarney hinüberschaute, blickten sie zu Boden. Vielleicht wollten sie nichts mit der Polizei zu haben, vielleichthatten sie etwas gesehen. McLarney stieg aus und trat an die Veranda. Der alte Mann begrüßte ihn mit einem seltsam nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    »Haben Sie vielleicht einen Mann hier entlanglaufen sehen? Die Tankstelle ist überfallen worden.«
    Der Alte wusste offenbar schon von dem Überfall und sagte wie beiläufig, ja, er habe einen Mann die Straße hinunterrennen sehen, er sei hingefallen, habe sich wieder aufgerappelt, und sei dann um die Ecke in einem Gebüsch verschwunden.
    »Dem Gebüsch dort drüben?«
    Von der Veranda aus konnte McLarney nicht viel sehen. Er forderte Verstärkung an. Als Erster war Reggie Hendrix zur Stelle. McLarney sah zu, wie sein Officer eine Böschung erklomm und auf das Eckgrundstück vordrang. Er rief ihm zu, vorsichtig zu sein, der Gesuchte könne sich noch im Gebüsch aufhalten. Beide Männer hatten ihre Revolver gezückt, als ein anderer Bewohner von seiner Veranda herbeikam und fragte, was los sei. McLarney wandte sich diesem Mann zu und forderte ihn auf, im Haus zu bleiben.
    »Da ist er!«, rief Hendrix.
    McLarney konnte nichts sehen. Er rannte die kleine Böschung hinauf, da er es für das Klügste hielt, so nahe wie möglich bei Hendrix zu sein, damit der Gesuchte nicht zwischen sie geraten konnte.
    Hendrix rief immer noch, aber McLarney sah nichts, bis der Mann ins Freie sprintete, genau auf sie zu. McLarney sah die Pistole, er sah, wie der Mann schoss und feuerte zurück. Auch Hendrix schoss. Das ist ja verrückt, dachte McLarney irgendwie unbeteiligt, zutiefst verwundert, dass sie dastanden und aufeinander schossen – genau das taten sie nämlich. Er spürte den Einschlag beider Kugeln, zwei kleine Schläge, und fast im gleichen Augenblick sah er den anderen Mann zusammenknicken und die Böschung zur Straße hinunterwanken.
    McLarney drehte sich um und versuchte, zurück über das Grundstück zu laufen, aber sein Bein wollte nicht mitmachen. Er hatte vier Schüsse abgegeben und stolperte nun zur Straße, wo er seine letzten beiden Kugeln hinter dem Schützen herschicken wollte. Aber als McLarney unten ankam, sah er den Mann reglos auf dem Bürgersteig liegen, die Waffe neben sich. McLarney wankte weiter und legte sichnur wenige Meter von dem Schützen entfernt auf den Bauch. Mit ausgestrecktem Arm zielte er auf den Kopf des Mannes. Der Räuber blinzelte McLarney an, sagte aber nichts. Schließlich hob er matt eine Hand und winkte ihm zu. Bitte nicht, sollte das offenbar heißen. Ich habe genug.
    Inzwischen stand der halbe Western District um sie herum. McLarney ließ seine Pistole los, als er sah, dass Craig Pope dem Typen seine 38er ins Gesicht drückte. Dann setzte der Schmerz ein – ein scharfer, stechender Schmerz im Unterleib – und mit ihm die Frage, wo er getroffen worden war. Das Bein war im Eimer, na gut, was ist schon ein Bein, dachte McLarney. Die zweite Kugel musste die Eingeweide erwischt haben, unterhalb der kugelsicheren Weste. Auch gut, dachte McLarney, da kommt nichts mehr Lebenswichtiges.
    Da spürte er Nässe am Rücken. »Mike, dreh mich mal um sieh nach, ob die Kugel durchgegangen ist.«
    Hajek hob ihn an den Schultern an. »Ja, ist sie.«
    Durchschuss. Nicht die beste Methode, herauszufinden, dass die Westen keinen Pfifferling wert waren. Aber McLarney war zumindest erleichtert, dass er die Kugel nicht mehr im Leib hatte.
    Die beiden Angeschossenen wurden in zwei verschiedenen Krankenwagen in die Klinik gefahren. McLarney sagte den Sanitätern, er habe das Gefühl zu fallen, ihm sei, als würde er von der Trage rutschen. Dabei ließ der

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