Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
ganz ruhig zu sein, von Nervosität keine Spur. Brian zog einen Stuhl heran und setzte sich schräg hinter ihn. Der Premierminister hatte nun alle drei im Bild.
„Guten Tag Herr Feist, Sie wollten mit mir reden?“
„Guten Tag Herr Premierminister. Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.“
Dem Premierminister war anzusehen, dass es ihn Mühe kostete, sich zu beherrschen. Mary kannte ihn als souveränen, freundlichen Mann. Jetzt stand ihm die Wut ins Gesicht geschrieben.
„Herr Premierminister, ich verstehe Ihren Unmut, ich weiß, was gerade in Großbritannien und auf der ganzen Welt passiert …“, setzte Tobias an, doch der Premierminister fiel ihm ins Wort: „So, so, glauben Sie wirklich, dass …“
„Herr Premierminister“, hakte sich nun mit schneidender Stimme Mary ein, „bevor wir ins Detail gehen, schlage ich vor, dass Herr Feist seine Forderungen formuliert.“ Der Premierminister holte tief Luft und fing sich endlich, er nickte.
Tobias schwieg. Auf seiner Stirn hatte sich ein leichter Schweißfilm gebildet, plötzlich sah er unruhig aus. Mary legte ihre Hand auf seinen Arm. Das schien ihn zu beruhigen.
„Ich möchte, dass Sie den chinesischen Staatspräsidenten Dérúgo Feng zu mir bringen“, sagte er. Und schwieg dann.
Der Premierminister staunte. So sehr, dass die Anspannung auf einen Schlag von ihm abfiel. Mit dieser Forderung hatte er nicht gerechnet. Mary schaute Brian erstaunt an. Er zog die Schultern hoch, er hatte keine Ahnung.
„Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht, den chinesischen Staatspräsidenten? Dieses ganze Chaos, weil Sie mit Dérúgo Feng sprechen wollen? Warum sollte er zu Ihnen kommen? Wie stellen Sie sich das überhaupt vor?“, fragte der Premierminister.
„Sagen Sie ihm, dass der Verursacher dieser ganzen Geschichte – und einiger bedauerlicher Todesfälle in seiner Familie – sich mit ihm über das Projekt Chimäre unterhalten will.“
Einen Moment lang herrschte eisiges Schweigen. Der Premierminister, aber auch Mary und Brian waren sichtlich geschockt. Tobias hatte also Angehörige des chinesischen Staatspräsidenten getötet?
„Das wird aber dauern“, sagte schließlich der Premierminister, „ich weiß noch nicht einmal, ob wir eine Verbindung nach China hinkriegen.“
„Wenden Sie sich an die Chinesische Botschaft in London, Herr Premierminister, die ist gut ausgestattet. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden.“ Tobias machte Anstalten, mit seinem Rollstuhl wegzufahren.
„Halt, warten Sie“, bremste ihn der Premierminister, „was bekommen wir als Gegenleistung? Schalten Sie dann die Computer wieder ein? Sind Sie sich eigentlich im Klaren darüber, dass wegen Ihnen schon Hunderte Menschen gestorben sind und noch Tausende weitere sterben werden?“
„ Der Baum der Freiheit muss ab und zu mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen getränkt werden , Herr Premierminister. Ich nehme an, Sie kennen diesen Spruch von Thomas Jefferson?“ Tobias wartete die Antwort nicht ab. „Und das ist meine Gegenleistung: Ich gebe den Menschen ihre Freiheit zurück! Sie werden einige Jahre ohne myComs auskommen müssen. Die Menschheit wird etwa fünf bis zehn Jahre benötigen, um den technologischen Stand, den sie vor acht Tagen noch hatte, wieder zu erreichen.
Bis dahin haben alle genügend Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie die Fehler der Vergangenheit in Zukunft vermeiden. Damit das möglich ist, erhalten die Regierungen zu gegebener Zeit den Zugang zum Wissen der Menschheit, das ich auf den Datenspeichern bei mir, im New Tower und verteilt über die ganze Welt gesichert habe.
Und um die Frage vorwegzunehmen, die vermutlich den meisten in Ihrem Umfeld unter den Nägeln brennt: Alle Finanzdaten sind unwiederbringlich vernichtet. Alle Menschen, Unternehmen und Staaten sind jetzt pleite – und zugleich schuldenfrei! Ich habe sozusagen für Sie das Problem der Staatsverschuldung gelöst. Sie müssen mir dafür nicht danken. Auf Wiedersehen.“
Nach diesen Worten wandte Tobias sich ab und fuhr aus dem Zimmer.
Der Premierminister war sprachlos. Jemand schien etwas zu ihm zu sagen, er nickte und wandte sich wieder an Mary und Brian.
„Wir verlegen unsere Administration jetzt in den New Tower. Frau Taydon, wie verlässlich sind aus Ihrer Sicht die Aussagen von Feist, ist er noch zurechnungsfähig?“
„Wie gesagt, ich bin mir sicher, dass er einen ausgeklügelten Plan verfolgt, und ich vermute, dass wir uns bereits in der Endphase
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