Homo ambrosius (Die Chimären) (German Edition)
die Schließung der letzten US-amerikanischen Militärbasis in Deutschland voran und brachte bald darauf erfolgreich eine Initiative zur Einführung des Wahlrechtes für Migranten auf den Weg.
To Zhang kam diskret heran und flüsterte Feng ins Ohr:
„Professor Jeong bittet um Rückruf. Es hat einen Vorfall mit einem der Kieselsteine gegeben.“
Feng zeigte keinerlei Reaktion, er setzte das Gespräch mit dem Bundeskanzler fort, als hätte er die Nachricht nicht gehört.
Seit über zwanzig Jahren arbeitete To Zhang für Dérúgo Feng. Sie waren Vertraute, hatten ein fast brüderliches Verhältnis. Böse Zungen hatten den beiden zu Beginn von Dérúgo Fengs politischer Karriere in Peking eine homosexuelle Beziehung angedichtet. Dies führte kurz darauf zu einem neuen Gerücht: dass sich eine dieser bösen Zungen, in Alkohol eingelegt, in To Zhangs Besitz befand.
Das war nur ein Gerücht, aber einen wahren Kern hatte es doch. To Zhang hatte die eine böse Zunge, die das Homosexuellen-Gerücht in die Welt gesetzt hatte, zum Schweigen gebracht.
Er war der Mann fürs Grobe. Er war die Verbindung zu Personen und Organisationen, mit denen Dérúgo Feng nicht in Verbindung gebracht werden wollte. Dérúgo Feng konnte nicht mehr inkognito reisen, er war kaum noch unbeobachtet. So wurde To Zhang stellvertretend für ihn aktiv.
Es lebten nur noch vier Personen, die die Verbindung der Fengs zum Projekt Chimäre kannten: Dérúgo Feng, sein inzwischen greiser Vater, Professor Jeong und To Zhang. Der Mitinitiator des Projektes, Dérúgo Fengs Schwiegervater, war schon vor einigen Jahren verstorben.
Die Ziele des Projektes Chimäre kannten nur Professor Jeong und Dérúgo Feng. To Zhang wusste viel über die Organisation und deren Abläufe, nicht aber, worum es tatsächlich ging. Er wusste, dass das Projekt Chimäre die Molekulargenetik vorangebracht hatte, Dérúgo Feng sprach oft davon, dass deswegen eines Tages seine Kinder die Welt beherrschen würden. Was To Zhang nicht wörtlich nahm.
Er wusste, dass Professor Jeong genetische Optimierungen an menschlichen Zellen vornahm, damit künstliche Befruchtungen durchführte – und dass das Projekt vor über zehn Jahren fast gescheitert war.
Seitdem gab es die Bezeichnungen Kieselsteine und Diamanten – für die Kinder, die im Rahmen des Projektes Chimäre gezeugt wurden. Als Kieselsteine und somit wertlos bezeichneten sie die Chimären der ersten Projektphase. Es lebten davon nur noch sieben, im Alter zwischen dreizehn und achtzehn Jahren. Sie sorgten regelmäßig für schlechte Nachrichten.
Diamanten waren die Chimären der zweiten Projektphase. Die ersten von ihnen waren im Frühjahr 2022 erzeugt worden und alle, die lebendig geboren wurden, waren gesund und entwickelten sich prächtig. Prächtig und überdurchschnittlich. Sie waren wertvoll.
Sie waren körperlich äußerst robust und geistig schneller als gleichaltrige normale Kinder. Die ältesten von ihnen, derzeit elf Jahre alt, hatten einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten und wurden als Hochbegabte gefördert.
Sie standen unter ständiger Kontrolle der Ärzte der IFC, die ihre körperliche und geistige Entwicklung dokumentierten.
Warum das Projekt Chimäre für Dérúgo Feng in den letzten Jahren immer wichtiger geworden war, wusste To Zhang nicht. Feng rief fast täglich die aktuellen Informationen zu seinen Diamanten über eine Datenbank ab, auf die nur er und Professor Jeong Zugriff hatten.
Nachrichten über die Kieselsteine ignorierte er dagegen, gab es Probleme, musste man bei ihm mit einem cholerischen Anfall rechnen.
Dérúgo Feng lief auf seine gepanzerte Limousine zu, To Zhang hielt die Türe für ihn auf. Während To Zhang um das Heck des Autos herumlief, aktivierte er über sein myCom den Kommunikationskanal zu Professor Jeong. Als er Platz nahm, erschien Jeongs Konterfei auf der Projektionsfläche der Trennscheibe zwischen Passagierraum und Fahrerbereich.
Feng hörte sich den Bericht des Professors über den Amoklauf in Birmingham reglos an. Er blieb absolut ruhig.
„Je älter sie werden, umso aggressiver scheinen sie zu werden. Wie verhalten sich die anderen sechs?“, fragte er.
„Wir haben keine außergewöhnlichen Veränderungen festgestellt. Auch bei Longpath gab es bei der letzten Untersuchung vor vierzehn Tagen keinerlei Anzeichen für ein solches Fehlverhalten.“
„Ihre Theorie?“
„Wir wissen, dass die Kieselsteine alle einen neurologischen Schaden haben. Ich
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