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Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)

Titel: Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Karer
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„… keine schweren Straftaten, keine Gewaltverbrechen. Gefängnisstrafe unter drei Jahre. Bereitschaft, sich für die doppelte Zeit der noch abzusitzenden Gefängnisstrafe zu verpflichten.“
    „Was hat der … hm, Kandidat denn für Auflagen, wenn er rauskommt?“, fragte Jakob.
    Lisa kannte ihn gut. Und wenn sie etwas in die Hand nahm, überließ sie nichts dem Zufall. Sie hatte die Frage erwartet, wie er unschwer aus den Notizen schloss, die sie ihm nun vorlas.
    „Seine Strafe wird auf Bewährung ausgesetzt. Er schließt einen normalen, zeitlich befristeten Anstellungsvertrag ab und erhält einen Bewährungshelfer, der ihn betreut. Er muss innerhalb des Verwaltungsbezirks, in dem er seine Arbeitsstelle hat, einen Wohnsitz nehmen. Das war’s.“
    „Und sicher hast du auch schon eine Wohnung für ihn“, brummte er.
    Sie nickte. Wieder zuckte sein fehlender Zeh. „Aber zuerst sollten wir uns für einen der drei Kandidaten entscheiden.“ Sie drehte sich abrupt um und ging mit schnellen Schritten auf den Schalter zu.
    Sein siebter Sinn meldete sich kurz, da war noch etwas! Aber bevor er sich darauf konzentrieren konnte, hörte er die verzerrte Stimme des Beamten durch den Lautsprecher. „Bitte links unten unterschreiben, Herr Hauptkommissar, und dann einzeln vorne rechts durch das Drehkreuz. Danke – und einen schönen Aufenthalt.“ Der Mann war der Einzige, der über seinen Witz lachte.

Tobias Feist fühlte sich nicht wohl. Seit er im Gefängnis war, ging es ihm schlecht. Die erfahrenen Wärter hatten untereinander schon Wetten abgeschlossen, wann er austicken und explodieren würde – Gefängniskoller.
    Psychologen nannten das psychische Deprivation: eine ungenügende Befriedigung grundlegender seelischer Bedürfnisse, die sich in erhöhter Aggressivität oder auch Depression äußerte. Tobias litt nicht unter der Isolation, nicht darunter, dass er in einer Zelle hockte. Er litt unter dem Computerentzug, das war für ihn die Hölle. Er war ein astreiner Digital Native, ohne Computer ging bei ihm gar nichts.
    Das merkte im Gefängnis bloß niemand. Die Wärter und die anderen Gefangenen sahen einen zurückgezogenen Mann, der kaum ein Wort sprach. Er schien ständig geistig abwesend zu sein. Er galt als Sonderling und Einzelgänger, und man ließ ihn in Ruhe.
    Und so hatte er mehr als genug Zeit, darüber nachzudenken, wie es ihn ins Gefängnis verschlagen hatte. Dumm und naiv war er gewesen, sie hatten ihn gründlich reingelegt. Seine Strafe hatte er kommentarlos angenommen. Er hatte keinerlei Schuldgefühle und empfand auch keine Reue. Was er empfand, war Wut – auf sich selbst und auf die, die ihn ins Gefängnis gebracht hatten.
    Vor einer halben Stunde hatte der Wärter ihn aus der Wäscherei geholt und ihn in seine Zelle gebracht. Er hatte angedeutet, dass jemand von der Polizei mit ihm sprechen wolle. Da wollte wohl wieder jemand wissen, wie sie die Sicherheitssysteme ausgetrickst hatten, und wieder würde man ihm nicht glauben, dass er keine Ahnung hatte, wie die anderen das gemacht hatten.
    Er wusste nur, dass er es mit Sicherheit besser gemacht hätte. Er lag in seiner Zelle auf dem Bett und starrte an die Betondecke. Kleine Vertiefungen an der Oberfläche bildeten ein Muster. Ein Muster, das er inzwischen auswendig kannte.
    Es bestand aus genau dreihunderteinundneunzig Punkten, jeder Punkt entsprach einer Vertiefung im Beton. Die Vertiefungen hatte er in drei Gruppen eingeteilt: klein, mittel, groß. Die dreihunderteinundneunzig Punkte seiner Deckenzelle gliederten sich in zweihundertfünfundsiebzig kleine, einundachtzig mittlere und fünfunddreißig größere Vertiefungen.
    Er hatte gerade die Augen geschlossen und rief sich die Deckenstruktur der Wäscherei in Erinnerung, als einer der Wärter die Zellentür öffnete, um ihn in den Besucherraum zu bringen.

Die drei Kandidaten verfügten über Informatikkenntnisse, zum größten Teil autodidaktisch angeeignet, stand in Lisas Unterlagen.
    Zwei saßen wegen Vermögensdelikten ein, einer wegen Datenmissbrauch. Die Gefängnisstrafen waren mit rund zwei und einmal drei Jahren für die drei jungen Männer im Alter zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Jahren recht hoch ausgefallen. Die Vergehen waren zwar eindeutig Straftaten, aber sie machten die Männer nicht zu Schwerverbrechern. Zumindest bei zwei von ihnen schien ein gewisses Maß an Dummheit oder auch fehlendem Unrechtsbewusstsein eine Rolle gespielt zu haben. Die Richter hatten sich

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