Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
Regierungskreisen derzeit laut darüber nach, den Wunsch der EU nach Finanzhilfe mit dem Wunsch Chinas, den europäischen Markt für chinesische Arbeitskräfte zu öffnen, zu verbinden.“
„Meinst du, dass das Chancen hat, Vater?“
„Du bist der Spezialist für Europa, sag du es mir.“
„Die Bevölkerungszahlen gehen zurück, die Bevölkerung altert, man benötigt Einwanderer und Geld sowie China als Markt. Drei Argumente, die dafür sprechen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Regierungen das Wagnis eingehen, vermutlich in der Annahme, dass die Sprachbarriere eine Einwanderung bremsen würde.“
„Was meinst du, Dérúgo, wie viele unserer Leute könnten wir in Europa beschäftigen?“
„Ich schätze, es geht um etwa zehn bis fünfzehn Millionen Arbeitsplätze.“
„Das bedeutet ein Einwanderungspotenzial von etwa vierzig bis sechzig Millionen Chinesen in ganz Europa, wenn ein Arbeitsplatz vier Chinesen ernährt. Zusammen mit den knapp zwei Millionen Chinesen, die bereits in Europa sind, könnten sich diese in zwanzig Jahren auf rund achtzig Millionen entwickeln. Was etwa einem Sechstel der europäischen Bevölkerung im Jahre 2050 entspräche. Ich glaube, dann gibt es keine Sprachbarriere mehr“, lachte sein Vater.
„Zumindest keine, die uns stört“, ergänzte Dérúgo. „Noch zum gesellschaftlichen Bereich. Dazu hat Deng besonders intensiv nachgefragt. Wir verfolgen hier zwei Ansätze, der letzte dürfte auch für dich neu sein.
Die Unzufriedenheit der Menschen, sei es mit der Alters- oder der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der Politik – einfach alles, was für Unruhe sorgt, fördern wir, heizen wir an. Jede Ethik- und Moraldebatte bringt uns weiter.“
„Ja, mein Sohn, so ist es uns gelungen, die Europäer aus Teilen der Spitzenforschung, insbesondere der Gentechnologie, zu drängen. Wo willst du den nächsten Go-Stein setzen?“
Dérúgo Feng holte Luft. „Im Gesundheitswesen …“ Sein Vater unterbrach ihn. „Dérúgo, ich bin eben gebeten worden, jemanden zurückzurufen, wir müssen abbrechen, obwohl mich deine Ideen sehr interessieren. Wir können uns in einigen Tagen weiter darüber unterhalten.“
„Du kommst nach Frankfurt, Vater – oder soll ich nach Peking kommen?“
„Nein, wir werden uns in London treffen. Du erhältst eine neue Aufgabe. Du wirst unser chinesischer Botschafter in Großbritannien. Und noch etwas …“ Das kurze Schweigen erschien Dérúgo Feng bedrohlich. Tatsächlich hatte die bisher sanfte Stimme seines Vaters nun einen strengen Unterton. „Dein kleines Nebengeschäft, das wir bisher toleriert haben, wirst du einstellen. Es ist ein schmutziges Geschäft, und es hat das Potenzial, dir die Zukunft zu verderben. Der zukünftige führende chinesische Botschafter in Europa und einer der Hoffnungsträger der chinesischen Politik kann es sich nicht leisten, mit diesem Geschäftsmodell in Verbindung gebracht zu werden. Wir werden das Konzept überarbeiten und das Geschäft in andere Hände übergeben. Wir sehen uns in London, mein Sohn.“ Damit legte er auf.
Dérúgo Fengs Gedanken überschlugen sich. In den letzten Wochen war nicht nur seine Arbeit, sondern gleichzeitig seine Person überprüft und beurteilt worden. Er war in den Fokus der Partei gerückt.
Er würde politische Karriere machen, das bedeutete Macht und Einfluss. Als führender chinesischer Botschafter in Europa übertrug man ihm die Verantwortung für alle chinesischen Aktivitäten in Europa, sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen.
Dass seine lukrative Nebeneinnahmequelle seinem Vater nicht verborgen geblieben war, überraschte ihn nicht, doch er empfand die Bemerkungen seines Vaters als Tadel. Dabei hatte sein Vater erwähnt, dass andere sein Geschäftsmodell übernehmen würden, es würde also mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Familie bleiben.
Er wählte Ao Chens Telefonnummer, dieser nahm den Anruf sofort entgegen. „Ao, wie viele Transaktionen haben wir derzeit noch offen?“
„In Südafrika? Eins gegen zwei, wurde gerade geliefert. Ansonsten noch drei in Vorbereitung.“
„Ao, mit der Zahlung der letzten Lieferung beenden wir die Sache. Die drei in Vorbereitung brechen wir ab. Wir geben das Geschäft ab, es wird neu organisiert.“
Das Treffen mit Albig dauerte knapp zwei Stunden, brachte ihnen aber keine neuen Erkenntnisse. Albig hatte sich äußerst korrekt verhalten, blieb aber auf Distanz, wog jedes Wort ab und gab seine Quellen nicht
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