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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Herzog
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inklusive Geschirr fuhr ich dann in die Nr. 11, stellte es in die Küche und holte später alles wieder so unauffällig wie möglich ab.
    Problematisch wurde es einzig, wenn uns der Anruf aus Wildfang erreichte. Das Jagdhaus lag etwa 25 Kilometer von der Waldsiedlung entfernt, und wenn auch andere Politbüromitglieder aus ihren Jagdrevieren, die offiziell »Freizeitobjekte« hießen, aus den Häusern in Wandlitz anriefen, wurde es eng bei den Transportmitteln. Deshalb wurde der Fuhrpark unablässig erweitert. Stoph, nach Ulbrichts Tod 1973 für kurze Zeit Staatsratsvorsitzender, ehe Honecker 1976 auch diese Funktion übernahm, hatte darum an den Wochenenden stets einen Koch und einen Kellner bei sich – neben den rund zwanzig Angestellten, die in Birkenheide (»Specker Horst«) am Ostufer der Müritz in seinen Gewächshäusern tätig waren. Auch die anderen Politbüromitglieder gaben sich zunehmend der Bequemlichkeit hin und wünschten an den Wochenenden aus Wandlitz das Essen in ihre Freizeitobjekte gebracht zu bekommen. Stand es nicht rechtzeitig auf den Tischen, setzte es Beschwerden auf dem »großen Dienstweg«. Sie waren absolut unfähig und unwillig zu begreifen, dass es eines beachtlichen logistischen Aufwandes bedurfte, etwa acht bis zehn Familien gleichzeitig zu bedienen, die im Umkreis von mehreren Dutzend Kilometern auf ihren Datschen saßen.
    Und was lernte ich dabei?
    Auf Durchgang zu schalten. Wozu hatte man zwei Ohren? Boten sie nicht die Möglichkeit des Durchzugs?
    In Wandlitz war der Kunde wirklich König
    Vier Wochen im Juli 1971, unmittelbar nach seiner Wahl auf dem VIII. Parteitag, war ich täglich mit beiden Honeckers zusammen und rund um die Uhr präsent. Meine Vorgesetzten hatten mir im Gespräch zuvor unmissverständlich gesagt, wenn es Beschwerden gäbe und der Erste Sekretär mit mir nicht klarkäme, wäre meine Kellnerkarriere in Wandlitz definitiv zu Ende. Das war also die Worst-case-Variante. Denn bei Unverträglichkeit dürfte ich ihm auch nicht mehr zufällig unter die Augen treten.
    Die Ansage irritierte mich nicht. Ich war schließlich Befehlsempfänger und nicht auf dem »freien Markt«. In Wandlitz war der Kunde wirklich König.
    Vilm erwies sich, bei aller Abgeschiedenheit und Exklusivität, vom Wesen her als kleineres FDGBFerienheim. Das Mittagessen nahmen alle Urlauber auf der Insel gemeinsam in einer zentralen Gaststätte ein. Den Kaffee am Nachmittag trank man im eigenen Haus oder bei Sonnenschein am Strand, wofür extra zwei Zelte errichtet worden waren, die mit Campingmöbeln ausgestattet wurden. Kuchen und Kaffee brachte ich mit einem leisen Elektrofahrzeug, um die Ruhe nicht zu stören. Nun war dies ein wenig vertrackt. Ich sollte nicht gesehen und gehört werden, als dienstbarer Geist unbemerkt bleiben, eine Art sozialistisches Mainzelmännchen also. Auf der anderen Seite wollte Honecker, der gern nackt badete, dabei nicht gesehen werden. Woher diese staatsmännische Scham rührte, weiß ich nicht: Am gesamten Ostseestrand der DDR lagen die Nackten ungeniert an den FKK-Stränden und kannten solche pubertären Reaktionen nicht. Aber egal, ich sollte nicht stören und ihn nicht sehen, auch wenn ich nichts sah. Am Abend, als man bereits im Kollektiv im Klubhaus speiste, räumte ich das Geschirr in den Zelten ab.
    Danach ging EH in den Kinosaal des Klubhauses, wo ihm mit einer transportablen Filmvorführanlage Streifen gezeigt wurden, die er bestellt hatte.
    Da im Juli Schonzeit war und nicht gejagt werden durfte, fiel dies als Urlaubsprogramm aus. Er ließ sich zur Zerstreuung von der Volksmarine einladen, die für ihn ein Manöver vor Sassnitz arrangierte. Auf diese Weise kam auch ich erstmals an Bord eines modernen Küstenschutzschiffes. Dort durfte ich in der Offiziersmesse servieren, was seemännisch Backen und Banken hieß. Ein andermal ging es nach Rostock, wo die traditionelle Ostseewoche seit 1958 stattfand. Dieses Zusammenkunft von Vertretern der Ostseeanrainerstaaten diente der Völkerverständigung und war als Option gedacht, die Hallsteindoktrin des Ostseeanrainers BRD zu unterlaufen. Die mit kulturellen und politischen Veranstaltungen angefüllte Woche stand alljährlich unter dem verbindenden wie appellarischen Motto: Die Ostsee muss ein Meer des Friedens werden! Mitte der 70er Jahre sollte Honecker dieses vielgestaltige Festival mit der Begründung abschaffen, es habe seine Mission erfüllt, die DDR sei international anerkannt, und mit der Konferenz für

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