Honecker privat
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sei ein neues Instrument entstanden. Nicht wenige waren jedoch der Auffassung, dass die Ostseewoche allein deshalb starb, weil sie eine Erfindung Ulbrichts war, der ihr in jedem Jahr seine Aufwartung machte und große Bedeutung beimaß.
Nach vier Wochen war meine Mission auf Vilm beendet und ich durfte nach Hause zurückkehren.
Offenkundig gab es keine Klagen, weshalb der Minister keinen Grund sah, mich abzuziehen und seine Bemühungen, die von Honecker abgeschaffte Gruppe Ulbricht in neuem Gewand zu etablieren, verstärkte. Es dauerte nicht lange, da gab es innerhalb des Personenschutzes (PS) erneut eine spezifische Abteilung. Sie bestand aus Begleiter, Kraftfahrer, Hausangestellte und mich als Kellner. Ich fühlte mich in dieser Rolle zunächst sehr unglücklich, was ausschließlich der Tatsache zuzuschreiben war, dass ich aus der Wandlitz-Truppe herausgenommen wurde, in der ich mich sehr wohl gefühlt hatte. Nunmehr wurde ich von früheren Kollegen geschnitten, mancher tat, als hätte ich mich um diesen vermeintlich privilegierten Job gerissen und würde nun mit meinesgleichen nichts mehr zu tun haben wollen.
Die anfängliche Unzufriedenheit gründete auch auf Untätigkeit, zu der ich nunmehr verurteilt worden war. Ich saß auf Abruf in Wandlitz und wartete, dass ich zu Honecker gerufen wurde. Oft waren diese Termine sehr kurzfristig, weshalb ständig ein Dienstfahrzeug mit Fahrer in der Waldsiedlung auf den Befehl wartete, mich nach Berlin zu fahren. Später erachteten es meine Chefs als sinnvoll, mir eine Art Stützpunkt im ZK-Gebäude einzurichten. Dort hielt ich mich mit einigen Personenschützern bis auf Abruf auf. Irgendwann merkte man, dass auch diese Entscheidung nicht sinnvoll war, weil es im Hause eigene Einrichtungen und Personal gab. Da brauchte man mich nicht.
Das einzig Nützliche in jener Zeit war die Bekanntschaft mit Elli Kelm, die seit seiner Tätigkeit an der Spitze des Jugendverbandes als Honeckers persönliche Sekretärin arbeitete. Wobei dies eine schlichte Untertreibung war: Elli war Bürochefin und hatte die Hosen an, d. h. in der Hierarchie stand sie noch über Gisela Glende, der zweiten langjährigen Vertrauten im Vorzimmer des Chefs. Von beiden erfuhr ich viel über die Gepflogenheiten in diesen Räumen, hörte von Honeckers Gewohnheiten und Vorlieben. Natürlich sangen beide ihr Loblied auf den Chef in höchsten Tönen, wobei sie immer den positiven Unterschied zu Walter Ulbricht herausstellten. Es ging von Personenkult die Rede, den man nun endlich und gottlob überwunden habe. Ich meinte, das war die feste Überzeugung der beiden, zumal ja auch ich im Umfeld von Honeckers Vorgänger solche Züge hatte beobachten können. Doch nach meinem Eindruck ging die überzogene Verehrung mehr von den Hofschranzen als von Ulbricht selbst aus. Und die, welche ihm seinerzeit zum Munde geredet hatten, taten nun so, als habe man sie dazu gezwungen.
Dass sich Honecker zumindest in jener Zeit gegen solche Reflexe wehrte und sich tatsächlich als Erster unter Gleichen sah, wurde offenbar, als er davon Wind bekam, dass Mielke eine Gruppe um ihn und seine Familie gebaut hatte. Natürlich nur zu seinem Schutze, hieß es. Dennoch forderte er den Minister auf, diese Struktur aufzulösen. Außer der Tatsache, dass ich wieder nach Wandlitz und in meine dortige Truppe zurückkehrte, blieb das Donnerwetter ohne Konsequenzen. Wenn es bei EH einen Termin gab, musste ich wieder nach Berlin oder ihn auf Reisen begleiten.
Doch im Laufe der Jahre verlor sich die Bescheidenheit und das Gift der Gewöhnung begann zu wirken. Ich bekam erst noch einen, dann einen zweiten Kellner an die Seite gestellt. Auch waren keine Köche für die Ferienobjekte vorgesehen, weil alles in Wandlitz zubereitet und von dort angeliefert wurde. Doch auch das änderte sich bald. Bei Demonstrationen und Kundgebungen richteten wir mobile Versorgungseinrichtungen ein. Am zweiten Sonntag im Januar wurde an die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erinnert, weshalb ich in der Gedenkstätte der Sozialisten entsprechende Vorbereitungen zu treffen hatte. Das galt auch für den 1. Mai und den 7. Oktober, dem Tag der Republik, an welchem mitunter Militärparaden auf der Karl-Marx-Allee stattfanden. Bei der Erfüllung der besonderen Wünsche und Bedürfnisse der Repräsentanten gab es keinerlei Beschränkungen in materieller und finanzieller Hinsicht. Alles wurde beschafft, mochte es noch
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