Honeymoon
mal wieder vorbeischauen.
Der erste Anruf galt Mark Tillingham. Er war Connors Anwalt und Nachlassverwalter. Er war auch einer von Connors besten Freunden. Als Nora anrief, war Mark gerade auf dem Sprung zu seinem samstäglichen Tennismatch. Sie konnte ihn vor sich sehen in seiner weißen Kluft, als sie ihm sagte, was passiert war. Er reagierte zutiefst geschockt, und irgendwie beneidete Nora ihn um seine Betroffenheit.
Dann waren die nächsten Verwandten an der Reihe. Die Liste der zu Benachrichtigenden hätte nicht kürzer sein können. Connors Eltern lebten nicht mehr; so blieb nur noch seine jüngere Schwester Elizabeth übrig, die Connor »Lizzie« oder manchmal auch »Lizard« nannte.
Die beiden standen sich in jeder Hinsicht sehr nahe, nur nicht in geografischer. Lizzie lebte in Santa Barbara, was bedeutete, dass zwischen den Geschwistern viereinhalbtausend Kilometer lagen. Beruflich war sie nicht minder erfolgreich als ihr Bruder – sie war Architektin. An die Ostküste verschlug es sie nur selten; das letzte Mal war noch vor Noras Zeit gewesen.
Nora schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein und grübelte darüber nach, wie sie einer Frau, der sie noch nie begegnet war, ja mit der sie überhaupt noch nie gesprochen hatte, am besten beibringen sollte, dass ihr Bruder mit vierzig gestorben war.
Sie wusste, dass sie den Anruf nicht machen
musste
. Sie hätte ihn auch Mark Tillingham überlassen können. Aber Nora wusste auch, dass eine Frau, die Connor wirklich liebte, diese Aufgabe selbst übernehmen würde. Deshalb suchte sie die Nummer in Connors Palm heraus und wählte.
»Hallo?«, meldete sich eine Frauenstimme. Sie klang verschlafen, wenn nicht ein wenig ungehalten. In Kalifornien war es gerade mal kurz nach sieben.
»Spreche ich mit Elizabeth?«
»Ja.«
»Mein Name ist Nora Sinclair ...« Seltsamerweise weinte die Schwester nicht, jedenfalls nicht am Telefon. Stattdessen war die Reaktion nur ein betroffenes Schweigen, gefolgt von einigen mit leiser Stimme vorgetragenen Fragen.
Nora sagte ihr, was sie auch der Polizei gesagt hatte. Wort für Wort: ihr Drehbuch. »Allerdings denke ich, dass wir Genaueres erst nach der Autopsie wissen werden.«
Wieder betroffenes Schweigen von »Lizzie«. Vielleicht, dachte Nora, war es das schlechte Gewissen, weil sie ihren Bruder so lange nicht mehr gesehen hatte. Oder vielleicht war es die plötzliche Einsamkeit; das Bewusstsein, nunmehr das einzige verbliebene Mitglied ihrer Familie zu sein. Wahrscheinlich war sie ebenso geschockt wie Mark Tillingham.
»Ich fliege gleich morgen früh«, sagte Elizabeth. »Haben Sie wegen der Beerdigung schon etwas unternommen?«
»Ich wollte zuerst mit Ihnen sprechen. Ich dachte –«
Jetzt weinte Elizabeth doch. »Ich hoffe, das klingt jetzt nicht unmöglich, aber das ist wirklich das Letzte, womit ich mich in diesem Moment ... Ich glaube, ich könnte das nicht ... Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich darum zu kümmern?«
»Natürlich nicht«, antwortete Nora. Sie wollte sich gerade verabschieden, als Elizabeth einen Schluchzer unterdrückte und fragte: »Wie lange waren Sie mit Connor verlobt?
«
Nora zögerte einen Moment. Sie hatte gerade selbst einen tüchtigen Heulanfall vortäuschen wollen, doch dann überlegte sie es sich anders. Stattdessen sagte sie mit ernster, gefasster Stimme: »Erst eine Woche.«
»Es tut mir Leid. Oh, es tut mir ja so Leid«, sagte Elizabeth.
Nach dem Anruf bei Elizabeth verbrachte Nora den größten Teil des Nachmittags mit der Vorbereitung der Beerdigung. Vieles konnte sie per Telefon erledigen, von den Blumen bis hin zum Catering. Doch es gab gewisse Dinge im Leben – und mehr noch im Tod –, die man besser persönlich regelte. Dazu gehörte die Wahl des Beerdigungsinstituts.
Selbst dabei kam Nora ihre Erfahrung als Raumausstatterin zugute. Sie wählte den Sarg genauso aus, wie sie es mit einem Möbelstück für einen Kunden getan hätte. Für Connor bedeutete das edelstes Nussbaumholz in Naturoptik mit geschnitzten Elfenbeingriffen. In dem Augenblick, als der Bestatter ihr den Sarg zeigte, wusste Nora, dass sie das Richtige gefunden hatte.
»Gekauft!«, sagte sie.
23
»Nora, ich weiß, es ist nicht gerade der ideale Zeitpunkt«, begann Mark Tillingham. »Aber es gibt da etwas, das ich unbedingt mit Ihnen besprechen muss – je eher, desto besser.«
Der Zeitpunkt war wenige Minuten vor Beginn des Trauergottesdienstes an jenem Dienstagmorgen; der Ort war der voll besetzte
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