Honeymoon
war zu sehr damit beschäftigt, meinen Mageninhalt herauszuwürgen, um etwas erwidern zu können. Zu benommen, zu geschwächt.
»Kann ich dir irgendetwas bringen?«, fragte sie.
Ich kniete da, die Arme um die Kloschüssel geschlungen, und ein erschreckender Gedanke drängte sich mir auf: Was ist, wenn es einfach nie mehr aufhört? So elend war ich dran, so mitgenommen und zutiefst geschockt.
»Craig, bitte sag doch was!«
Aber im nächsten Moment ließ es tatsächlich nach. Seltsam – aber ich war heilfroh. So schnell, wie es gekommen war, schien es wieder vorbei zu sein. Einfach so.
»Alles okay«, sagte ich ebenso überrascht wie erleichtert. »Mir geht's schon wieder besser. Ich komme gleich raus.«
Ich wankte schwerfällig zum Waschbecken, spülte mir den Mund aus und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Wieder starrte ich mein Spiegelbild an. Es musste eine Lebensmittelvergiftung sein, oder?
Aber ich musste auch einer anderen Möglichkeit ins Auge sehen – dass mich einfach die schiere Panik erfasst hatte angesichts des gigantischen Bocks, den ich gerade geschossen hatte. Einfacher ausgedrückt: Das Omelett vertrug sich schlecht mit dem ausgesprochen unguten Gefühl in meiner Magengegend.
Herrgott, O'Hara, jetzt reiß dich endlich zusammen!
Ich ging zurück in die Küche und zu Nora, die sehr verwirrt schien. »Du hast mir vielleicht einen Riesenschreck eingejagt«, sagte sie.
»Tut mir Leid. Das war vollkommen irre.« Ich versuchte, mit einer glaubwürdigen Erklärung aufzuwarten. »Vielleicht war es ein verdorbenes Ei.«
»Kann sein. O Gott, ich habe ein schlechtes Gewissen. Oh, Craig ... Aber jetzt geht's dir wieder besser, oder?«
Ich nickte.
»Bist du sicher? Du musst jetzt nicht den Helden spielen«
»Doch.«
»Jetzt fühle
ich
mich ganz furchtbar«, sagte sie. »Du wirst nie wieder irgendwas essen, was ich gekocht habe.«
»Das ist doch Unsinn, es war ja nicht deine Schuld.«
Sie schob die Unterlippe vor. Sie wirkte verletzt – und
erschrocken
. Ich ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Ich würde dich ja küssen, aber –«
Jetzt lächelte sie plötzlich wieder. »Ich glaube, ich kann irgendwo noch eine Zahnbürste für dich auftreiben«, sagte sie. »Aber nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Du musst versprechen, hier bei mir zu übernachten. Noch einmal mit Gefühl:
Bitte, bitte!
«
Wenn sie nicht in BH und Slip vor mir gestanden hätte. Wenn ich sie nicht in diesem Moment im Arm gehalten hätte. Dann hätte ich vielleicht Nein sagen können. Vielleicht, aber ich bezweifle es.
»Aber ich hätte auch eine Bedingung«, sagte ich.
»Ich weiß, was du sagen willst, aber das wäre mir sowieso nicht im Traum eingefallen.«
Das hieß, dass wir die Nacht in sicherem Abstand von dem großen Schlafzimmer verbrachten. Zum Schlafen kamen wir sowieso kaum. Ich schwor mir, dass es bei dieser einen Nacht bleiben würde. Am nächsten Tag würde ich einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen. Mir würde schon noch etwas einfallen, wie ich ihr nahe sein könnte, ohne mit ihr intim zu werden.
Aber tief im Herzen spürte ich, wie etwas mit mir passierte. Und nicht nur dort – ich spürte es mit jeder Faser.
Ich war Nora verfallen.
74
Am nächsten Morgen riss uns die Türglocke im Erdgeschoss unsanft aus dem Schlaf.
Nora richtete sich sofort kerzengerade im Bett auf. »Wer kann das denn sein, so früh am Morgen?«
Ich sah auf meine Uhr. »Mist!«
»Was?«
»Von wegen früh am Morgen. Es ist fast halb zehn.«
Ihre Reaktion bestand in einem schelmischen Lächeln, das es irgendwie fertig brachte, natürlich und verführerisch zugleich zu sein. »Wir haben uns wohl müde getobt.«
»Du hast gut lachen; ich sollte schon seit einer Stunde im Büro sein.«
»Keine Panik, ich schreib dir eine Entschuldigung.«
Es läutete erneut an der Tür. Wiederholt diesmal. Es klang wie ein Windspiel in einem Wirbelsturm.
»Wer es auch ist, ich schaffe ihn uns vom Hals«, sagte Nora. In all ihrer unverhüllten Schönheit stieg sie aus dem Bett und ging ans Fenster. Sie lugte durch die Vorhangritze. »Verdammt, das hatte ich total vergessen.«
»Was?«
»Es ist Harriet.«
Ich wusste nicht, wer Harriet war, aber das war auch nicht wichtig. Ich wusste nur, dass ich weder sie noch irgendwen sonst an der Tür haben wollte – nicht, solange ich mich auf der anderen Seite befand. »Du kannst sie doch abwimmeln, oder?«
»Eben nicht. Sie tut mir einen großen Gefallen mit diesem
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