Honeymoon
eine freundliche Frauenstimme.
»Hallo, könnte ich bitte John O'Hara sprechen?«
»Tut mir Leid, Mr O'Hara ist zurzeit nicht im Haus.«
»Könnte ich seine Voice-Mail haben?«
»Das Voice-Mail-System ist zurzeit leider außer Betrieb«, antwortete die Frau.
»Wie praktisch.«
»Bitte?«
»Ach, nichts.«
»Kann ich ihm vielleicht etwas ausrichten?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Nora wollte schon auflegen. »Entschuldigen Sie, wie war noch mal Ihr Name?«
»Susan.«
»Ach, eine Frage hätte ich doch noch, Susan. Können Sie mir sagen, ob Craig Reynolds noch bei Ihnen arbeitet?«
»Augenblick, ich sehe mal eben in der Liste nach. Reynolds, sagten Sie?«
»Ja.«
»Ah, da haben wir ihn ja. Mr Reynolds arbeitet in einer unserer New Yorker Filialen. In Briarcliff Manor, genauer gesagt. Möchten Sie die Nummer?«
»Ja, bitte.«
Nora notierte sie sich. »Ich danke Ihnen, Susan.«
»Nichts zu danken, Ms ...« Sie unterbrach sich. »Entschuldigung, ich fürchte, ich habe Ihren Namen nicht verstanden ...«
»Ich habe ihn gar nicht gesagt.«
Nora legte auf. Sofort ging sie zu ihrer Handtasche und nahm die Visitenkarte heraus, die »Craig« ihr gegeben hatte. Tatsächlich, die Nummern stimmten überein.
»Oh, du bist wirklich gut, O'Hara«, murmelte sie halblaut, als sie nach dem Autoschlüssel griff.
Aber unser Honeymoon ist vorbei.
Vierter Teil
Bis dass der Tod uns scheidet
86
Während der Fahrt nach Briarcliff Manor hatte Nora permanent den Finger auf dem Sendersuchknopf des Radios. Sie sprang von einem Programm zum anderen, doch sie fand einfach keinen Song, der ihr gefiel. Das meiste war irgendein Rap-Mist, bei dem sie beinahe einen Schreikrampf bekam. Und irgendwann schrie sie tatsächlich los! Sie war unruhig und nervös, und das lag nicht nur an den Unmengen Kaffee, die sie getrunken hatte. O'Hara war schuld daran, dass ihre Nerven blank lagen.
Als dann ihr Handy klingelte, wäre sie fast in den Straßengraben gefahren.
Das ist er.
Ihr erster Gedanke war, ihn hier und jetzt zur Rede zu stellen, ihn mit ein paar wohlgesetzten Worten davon in Kenntnis zu setzen, dass sie ihn durchschaut hatte. Aber als sie nach dem Telefon griff, entschied sie sich dagegen. Nein, O'Hara sollte nicht so leicht davonkommen.
Nora warf einen Blick auf das Display. In der gleißenden Sonne konnte sie die Nummer nicht entziffern. Egal – sie war sich sicher, dass er es war.
»Hallo?«
»Wo warst du denn?«
So kann man sich täuschen. Die leicht gereizte Stimme am anderen Ende gehörte Jeffrey. Nora hatte seit zwei Tagen seine Anrufe nicht mehr erwidert.
»Tut mir Leid, Schatz, ich wollte dich schon anrufen«, sagte sie. »Aber du bist mir zuvorgekommen.«
Sein Zorn schien bereits verraucht. »Mensch, ich hab mir solche Sorgen gemacht, du. Ich hatte ja keine Ahnung, wo du steckst.«
Eine Ausrede war jetzt gefragt, und zwar eine gute. »Es war diese unmögliche Kundin von mir – meine absolute Horror-Albtraum-Kundin. Du weißt schon, das ist die, die gedroht hat, mich zu feuern, wenn ich nicht persönlich mit ihr die Stoffe aussuchen gehe.«
»Wie könnte ich die vergessen – die hat mich schließlich um ein ganzes Wochenende mit dir gebracht.«
Nora war still – ein ominöses Schweigen.
»O nein«, sagte er. »Das ist jetzt nicht dein Ernst.«
»Ich werde versuchen, mich irgendwie loszueisen.«
»Was verlangt sie denn diesmal von dir?«
»Sie will, dass ich zu ihr nach East Hampton komme, um mir den neuen Wintergarten anzuschauen. Sie ist immerhin eine meiner besten Kundinnen – und eine meiner ersten.«
»Morgen ist schon Freitag, Nora. Wann weißt du es denn?«
Er ist wütend. Er nennt mich nur Nora, wenn er stinksauer ist.
»Ich rufe dich heute Nachmittag an. Glaube mir, der Gedanke, noch ein Wochenende mit dieser Frau zu verbringen, macht mich völlig fertig. Du fehlst mir so.«
»Du hörst dich wirklich gestresst an, Liebling. Ist sonst alles in Ordnung?«
»Ja, alles wunderbar.« Das Bild von O'Hara tauchte vor ihrem inneren Auge auf. »Manchmal kann einem ein einziger Mensch den letzten Nerv rauben, nicht wahr?«
»Noch ein Grund mehr, mit dem einen Menschen zusammen zu sein, der alles wieder gutmachen kann«, sagte Jeffrey. »Du rufst an, ja? Ich liebe dich.«
Nora versprach es ihm und verabschiedete sich mit einem zärtlichen »Ich liebe dich auch«.
Sie war einigermaßen zufrieden mit ihrem spontanen Katastrophenmanagement in Sachen Jeffrey – aber nur einigermaßen. Es wurde immer
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