Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Tschen-tschen? Wann? Ich meine – vorher, oder nachher oder wann? Das weiß ich nicht.«
»Du weißt eine ganze Menge nicht. Du weißt noch immer nicht, wann du sprechen und wann du schweigen sollst. Wie kann ich dich unterweisen, wenn du sprichst? Habe ich denn den ganzen Tag Zeit?«
»Nein, Sir.«
»Iiii, was bist du doch für ein Glückspilz! Das erste Mal in der Herrlichen Schlucht. Es ist doch das erste Mal, oder? Sag die Wahrheit!«
»Hmm … nun, also, hm … ja.«
»Gut.«
Erst Jahre später erfuhr Dunross, daß einige der berühmtesten Häuser in Hongkong und Macao geheime Angebote für das Privileg gemacht hatten, einem künftigen Tai-Pan, einem Ururenkel des Grünäugigen Teufels, sein erstes Liebeserlebnis anzudienen. Abgesehen von dem Gesicht, das das Haus auf Generationen hinaus gewinnen würde, wenn es vom Comprador des Noble House auserwählt wurde, war es auch ein unglaubliches Glück für die betreffende Dame. Der Saft des Ersten Mals war auch bei der geringsten Persönlichkeit ein Elixier von unglaublichem Wert.
»Du lieber Gott, Onkel Tschen-tschen«, war er in die Luft gegangen, »ist das wahr? Du hast mich tatsächlich an ein Hühnerhaus verkauft?«
»Natürlich.« Der alte Mann hatte zu ihm hinaufgeblinzelt und gekichert. Er lag in dem großen Haus der Tschens auf der Anhöhe vom Struan’s-Ausguck im Bett, war beinahe blind und dem Tode nah, aber sanft und zufrieden. »Wer hat es dir verraten, hm?«
Tusk, ein Witwer, ein Habitue der Tanzhallen, Bars und Freudenhäuser von Kowloon, hatte es als Legende von einer der mama-sans gehört. Irgendwo hatte sie aufgeschnappt, es sei im Noble House Brauch, daß der Comprador für das erste Liebeserlebnis der Nachkommen des Grünäugigen Teufels Struan sorgte. »Ja, alter Junge«, hatte ihm Tusk erzählt. »Dirk Struan hat Sir Gordon Tschen, dem Vater des alten Tschen-tschen, erklärt, er würde den Bösen Blick auf das Haus Tschen legen, wenn sie nicht die richtige Wahl träfen.«
»Ich finde das scheußlich, Onkel Tschen-tschen!«
»Warum denn? Es war eine sehr einträgliche Auktion. Es hat dich nichts gekostet, dir aber ungeheures Vergnügen verschafft. Es hat mich nichts gekostet und mir im Gegenteil 20.000 HK eingetragen. Das Etablissement des Mädchens hat enorm an Gesicht gewonnen, genau wie das Mädchen. Es hat sie nichts gekostet, ihr aber jahrelang eine zahlreiche Kundschaft verschafft, die ebenfalls die Vorzüge deiner Wahl Nummer Eins genießen wollte.«
Elegante Jade war ihr Name. Sie war zweiundzwanzig und sehr erfahren. Elegante Jade war süß und freundlich – wenn sie wollte –, und ein Drache, wenn sie böse war.
Er war verrückt nach ihr, und ihre Affäre dauerte zwei Sommerferien – die Zeit, die Tschen-tschen vertraglich festgelegt hatte. Als er am ersten Tag der dritten Sommerferien zu ihr geeilt war, war sie verschwunden.
Heute noch konnte Dunross sich daran erinnern, wie verzweifelt er gewesen war, wie er sich bemüht hatte, sie zu finden. Aber das Mädchen hatte keine Spur hinterlassen.
»Was ist aus ihr geworden, Onkel Tschen-tschen?«
Der alte Mann seufzte und legte sich müde im großen Bett zurück. »Es war für sie Zeit zu verschwinden. Für einen jungen Mann ist es immer zu leicht, einem Mädchen zu viel Zeit und Zuneigung zu schenken. Nach ihr konntest du selbst wählen, und du mußtest dich mit dem House beschäftigen, nicht mit ihr … Versuch nicht, dein Verlangen zu verbergen, ich verstehe dich, oh, wie gut ich dich verstehe! Mach dir keine Sorgen, sie ist gut bezahlt worden, mein Sohn, sie hat dir kein Kind geschenkt …«
»Wo ist sie jetzt?«
»Sie ist nach Taiwan gegangen. Ich habe mich vergewissert, daß sie genug Geld hat, um ein eigenes Haus aufzumachen. Das hatte sie vor und ein Teil unserer Abmachung bestand darin, daß ich sie von ihrem Vertrag freikaufen mußte. Das hat mich … fünf- oder zehntausend gekostet, ich kann mich nicht mehr erinnern, mein Sohn.«
Dunross trank gedankenverloren den Wein. Das war das einzige Mal, daß der alte Tschen-tschen mich Sohn genannt hat, dachte er. Was für ein großartiger alter Mann er doch war! Wenn ich nur so freundlich und weise und seiner würdig sein könnte!
Eine Woche danach war Tschen-tschen gestorben. Sein Begräbnis war das größte, das Hongkong je erlebt hatte; tausend Klageweiber und Trommeln begleiteten den Sarg. Die weißgekleideten Frauen wurden dafür bezahlt, daß sie dem Sarg folgten, laut wehklagten und die Götter
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