Hongkong 02 - Noble House Hongkong
der zweite Detektiv den Polizeijaguar parkte.
Suslew ging mit großen Schritten in die riesige, überfüllte Halle und sah sich nach einem freien Tisch um. Er drängte sich durch die Menge, fand einen Tisch, bestellte laut einen doppelten Wodka, setzte sich und begann, die Zeitung zu lesen. Plötzlich stand das Mädchen vor ihm.
»Hallo«, sagte sie.
»Ginny, doragaja «, rief er strahlend, umarmte sie und hob sie dabei hoch. Alle anwesenden Frauen waren empört, alle anwesenden Männer beneideten ihn. »Wir haben uns lange nicht gesehen, golubtschik .«
» Ayeeyah « , sagte sie, warf den Kopf zurück, daß ihre kurzen Haare flogen, und setzte sich. »Du zu spät. Warum du mich warten lassen? Eine Dame nicht gern allein im Victoria warten, heya ?«
»Du hast recht, golubtschik .« Suslew zog ein dünnes Päckchen aus der Tasche und überreichte es ihr. »Hier, aus Wladiwostok.«
»Oh! Wie ich danken?« Ginny Fu war achtundzwanzig und arbeitete in den meisten Nächten in der Happy Drinker Bar in einer Seitenstraße der Mong Kok. In manchen Nächten ging sie in die Good-Luck-Tanzhalle. Meist sprang sie für ihre Freundinnen hinter der Theke winziger Lokale ein, wenn sie sich einem Kunden widmeten. Weiße Zähne, pechschwarze Augen, pechschwarze Haare, goldene Haut, ihr bunter chong-sam bis weit ihre langen Schenkel hinauf geschlitzt. Sie betrachtete aufgeregt das Geschenk. »O danke, Gregor, vielen danke.« Sie steckte es in ihre große Handtasche und lächelte ihn an. Dann wanderte ihr Blick zu dem Kellner, der Suslews Wodka brachte. Er trug die offenkundige Verachtung zur Schau, die alle Chinesen für junge Chinesinnen empfanden, die bei einem quai loh saßen. Er stellte den Drink mit meisterhafter Unverschämtheit ab und starrte sie an.
» Dew neh loh moh auf alle deine Schweinestall-Vorfahren«, zischte sie ihm zu.
»Mein Mann ist ein 489er bei der Polizei, und wenn ich nur ein Wort sage, wird er die lächerlichen Erdnüsse, die du als Eier bezeichnest, eine Stunde, nachdem du von hier heimgehst, zerquetschen lassen.«
Der Kellner wurde blaß. »Eh?«
»Heißen Tee! Bring mir heißen Tee, und wenn du hineinspuckst, wird mein Mann einen Knoten in deinen Hals machen!«
Der Kellner floh.
»Was hast du ihm gesagt?« Suslew verstand nur einige Worte Kantonesisch, während sein Englisch sehr gut war.
Ginny Fu lächelte süß. »Nur gesagt, er soll Tee bringen.« Sie wußte, daß der Kellner jetzt automatisch in ihren Tee spucken würde, oder wahrscheinlich sicherheitshalber einen Freund veranlassen würde zu spucken, deshalb würde sie den Tee nicht trinken, so daß er noch mehr an Gesicht verlor. »Dieses Geschenk, Gregy. Danke so viel.«
»Nichts Besonderes«, sagte Suslew. Er wußte, daß sie das Geschenk nicht vor ihm auspacken würde – was zur guten, vernünftigen chinesischen Sitte gehörte. Denn wenn ihr das Geschenk dann nicht gefiel, wenn sie enttäuscht war, wenn sie laut fluchte, weil der Gegenstand die falsche Größe oder die falsche Farbe hatte, wenn sie über den Geiz oder den schlechten Geschmack des Spenders schimpfte, konnte er nicht sein Gesicht verlieren und sie auch nicht. »Sehr vernünftig.«
»Was?«
»Nichts.«
»Du gut aussiehst.«
»Du auch.« Er hatte sie vor drei Monaten zum letztenmal gesehen, und obwohl er in Wladiwostok eine Eurasierin zur Geliebten hatte, gefiel ihm Ginny Fu.
»Gregy, du trink aus! Wir beginnen Ferien! Ich habe Wodka … ich habe andere Dinge. Wie viele Tage du bleibst?«
»Mindestens drei, aber …«
»Oh.« Sie versuchte, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen.
»Ich muß immer wieder zu meinem Schiff zurück. Wir haben den heutigen Abend und den morgigen Tag und die ganze morgige Nacht.«
»Drei Monate lange Zeit, Gregy.«
»Ich komme bald wieder.«
»Ja.« Ginny Fu vergaß die Enttäuschung und wurde wieder energisch. »Trink aus und wir anfangen!« Sie sah den Kellner, der mit ihrem Tee kam. Ihre Blicke durchbohrten ihn. »Ha! Er ist kalt und nicht frisch gebrüht. Wer bin ich? Ein dreckiges Stück Hundefleisch? Nein, ich bin eine zivilisierte Person aus den Vier Provinzen, deren Vater sein ganzes Geld verspielt und sie deshalb als Frau Nummer Zwei an diesen Polizeichef von den fremden Teufeln verkauft hat! Also piß in deinen Hut!«
Sie stand auf.
Der Kellner trat einen Schritt zurück.
»Was ist los?« fragte Suslew.
»Zahl nicht für Tee, Gregy! Nicht heiß. Und gib nicht Trinkgeld!«
Dennoch zahlte Suslew, sie nahm seinen Arm und
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