Hongkong 02 - Noble House Hongkong
eröffnen wir die Schlacht!«
»Wieso Schlacht? Wir sind doch hier, um ein Geschäft abzuschließen.«
»Aber ja, selbstverständlich. Entschuldigen Sie, das ist nur so eine Redensart.« Er ließ sie eintreten und steuerte auf die Aufzüge zu. Casey war peinlich berührt, als die vielen Menschen, die schon in Schlangen warteten, sofort zur Seite wichen, um sie in den ersten Fahrstuhl einsteigen zu lassen.
»Danke«, sagte Dunross, der nichts Außergewöhnliches dabei fand. Er drückte auf den obersten Knopf mit der Aufschrift 20 und stellte zerstreut fest, daß sie weder Parfüm benützte noch Schmuck trug.
»Warum steht das Portal in einem Winkel?« fragte sie.
»Wie bitte?«
»Das Eingangstor scheint mir ein wenig schräg zu stehen. Ich hätte gern den Grund gewußt.«
»Sie sind eine gute Beobachterin. Die Antwort lautet fung sui. Als das Gebäude vor vier Jahren errichtet wurde, vergaßen wir den fung-sui -Mann des Hauses zu konsultieren. Er ist so etwas Ähnliches wie ein Astrologe, ein Mann, der auf Himmel, Erde, Wasserströmungen, Teufel und derlei Dinge spezialisiert ist und darauf achtet, daß man auf dem Rücken des Erddrachens und nicht auf seinem Kopf baut.«
»Wie bitte?«
»Ja, ja. Jede Baulichkeit in ganz China steht auf irgendeinem Teil des Erddrachens.
Es ist alles in Ordnung, wenn der Bau auf dem Rücken, sehr schlecht, wenn er auf dem Kopf, und ganz entsetzlich, wenn er auf seinem Augapfel steht. Als wir endlich daran dachten, ihn zu fragen, versicherte uns unser fung-sui- Mann, wir stünden auf dem Rücken des Drachens – Gott sei Dank, sonst hätten wir übersiedeln müssen – doch kämen Teufel durch die Tür, und deswegen hätten wir so viele Schwierigkeiten. Er riet uns, das Portal umzuplanen; unter seiner Anleitung änderten wir den Winkel, und nun haben die Teufel das Nachsehen.«
Sie lachte. »Und jetzt verraten Sie mir den wahren Grund!«
» Fung sui. Wir hatten hier schlimmen Joss – Pech – lausiges Pech sogar, bis die Tür geändert wurde.« Seine Züge verhärteten sich sekundenlang, dann verflog der Schatten. »Gleich nachdem wir den Winkel geändert hatten, kam alles wieder ins Lot.«
»Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie daran glauben? Teufel und Drachen!«
»Natürlich glaube ich nicht daran. Aber wenn man in China lebt, macht man sehr bald die Erfahrung, daß es am besten ist, wenn man sich ein wenig chinesisch verhält.«
Der Aufzug hielt und gab den Weg in eine getäfelte Eingangshalle frei. An einem Schreibtisch saß eine adrette chinesische Empfangsdame. Sofort schätzten ihre Augen Caseys Kleidung und Schmuck ein.
Dumme Ziege, dachte Casey und lachte sie honigsüß an.
»Guten Morgen, Tai-Pan«, grüßte die Empfangsdame höflich.
»Mary, das ist Miss K. C. Tcholok. Bringen Sie sie bitte in Mr. Struans Büro.«
»Aber …« Mary Li bemühte sich, ihren Schock zu überwinden. »Die … die Herren erwarten einen …« Sie nahm den Hörer auf, aber Dunross hielt sie zurück.
»Führen Sie sie hinein! jetzt gleich. Es ist nicht nötig, sie anzumelden.« Er wandte sich Casey zu und lächelte. »Das war’s. Wir sehen uns bald.«
»Ja, danke. Auf bald.«
»Bitte folgen Sie mir, Miss Tcholok«, sagte Mary Li und schritt den Gang hinunter.
Die langen Beine waren seidenbestrumpft, und ihr chong-sam saß eng und hoch geschlitzt auf ihren Hüften. Casey sah ihr einen Augenblick nach. Sie streifte Dunross mit einem Blick und zog eine Augenbraue hoch.
Er lachte. »Auf später, Miss Tcholok.«
»Bitte nennen Sie mich Casey.«
»Vielleicht wäre mir Kamalian Ciranoush lieber.«
Sie starrte ihn an. »Woher wissen Sie meinen Namen? Ich glaube, nicht einmal Mr. Bartlett erinnert sich noch daran.«
»Es zahlt sich eben aus, hochgestellte Persönlichkeiten zu Freunden zu haben«, erwiderte er lächelnd. » A bientôt . «
Er schritt zum gegenüberliegenden Aufzug und drückte auf den Knopf. Die Tür ging auf und schloß sich hinter ihm.
Nachdenklich folgte Casey Mary Li, die immer noch wartete.
Im Aufzug nahm Dunross einen Schlüssel heraus und steckte ihn in das Schloß. Der Aufzug verkehrte nur zu den obersten beiden Geschossen. Nur drei andere Personen besaßen den gleichen Aufzugsschlüssel: Claudia Tschen, seine Direktionssekretärin; Sandra Yi, seine Privatsekretärin; und sein Erster Hausboy Lim Tschu.
Im einundzwanzigsten Stockwerk befanden sich sein Privatbüro und der Sitzungssaal des Inneren Kreises, im zweiundzwanzigsten, dem
Weitere Kostenlose Bücher