Hongkong 02 - Noble House Hongkong
angerufen?«
Sie rümpfte die Nase. »›In einen geschlossenen Mund verirren sich keine Fliegen‹, pflegte Ihr Vater zu sagen. Aber ich glaube, ich kann Ihnen trotzdem verraten, daß Ming-li schon seit zwei Monaten nur mehr Zweite Freundin ist. Die neue Favoritin nennt sich Duftende Blume und bewohnt eine seiner ›Privatwohnungen‹ an der Aberdeen Main Road.«
»Ach, so nahe bei seinem Liegeplatz! Wie bequem!«
»O ja. Sie ist schon eine rechte Blume, eine gefallene Blume aus der Good-Luck-Dragon-Tanzhalle in Wanchai. Aber sie weiß auch nicht, wo Meister John sich aufhält.
Er hat sie beide nicht besucht, obwohl er, wie sie sagt, für Mitternacht mit der Gefallenen Blume verabredet war.«
»Wie haben Sie das nur alles herausgefunden?« fragte er.
»Macht, Tai-Pan – und ein Netz von Beziehungen, das ich mir über fünf Generationen aufgebaut habe.« Sie lachte in sich hinein. »Aber wenn Sie einen hübschen kleinen Skandal hören wollen – John Tschen weiß nicht, daß sie nicht die Jungfrau war, die sie zu sein vorgab …« Eines der Telefone läutete. Sie hob ab. »Bleiben Sie bitte am Apparat«, sagte sie, betätigte die Wartetaste und fuhr munter in einem Atemzug fön: »Alle ihre Tränen und die äh … Beweise waren nur vorgetäuscht. Armer Kerl, aber geschieht ihm recht, meinen Sie nicht auch, Tai-Pan? Wozu braucht ein Mann in seinem Alter eine Jungfrau – er ist doch zweiundvierzig, heya? « Sie drückte auf den ›Ein‹-Knopf. »Sekretariat des Tai-Pan, guten Morgen«, meldete sie sich.
Er beobachtete sie, belustigt und verwirrt und staunte wie immer über ihre Informationsquellen, und über das Vergnügen, das es ihr bereitete, Geheimnisse zu kennen.
Und sie weiterzugeben. Aber nur an Mitglieder des Clans und ausgewählte Insider.
»Augenblick, bitte.« Sie drückte die Wartetaste. »Inspektor Armstrong möchte Sie gerne sehen. Er wartet unten mit Inspektor Kwok. Es tut ihm leid, daß er unangemeldet kommt, aber ob Sie ihm wohl ein paar Minuten schenken könnten?«
»Ah, die Gewehre! Unsere Polizei funktioniert jeden Tag besser«, kommentierte er mit grimmigem Lächeln.
Um sieben Uhr früh hatte er einen detaillierten Bericht von Philip Tschen erhalten.
Einer der Polizeibeamten, ein Verwandter der Tschens, hatte an der Aktion auf dem Flughafen teilgenommen und ihn gleich darauf verständigt.
»Du tätest gut daran, alle unsere Informanten einzusetzen, um herauszubekommen, wer und was dahintersteckt«, hatte er besorgt zu Philip gesagt.
»Das habe ich schon. Es kann kein Zufall sein, daß man die Gewehre in Bartletts Maschine gefunden hat.«
»Sollte sich herausstellen, daß wir in irgendeiner Weise damit zu tun haben, könnte das sehr peinlich werden.«
Er sah, wie Claudia geduldig wartete. »Bitten Sie Armstrong, mir zehn Minuten Zeit zu lassen! Dann holen Sie sie herauf.«
Sie erledigte das und sagte: »Wenn Inspektor Kwok schon so bald zugezogen wurde, muß die Sache ernster sein, als wir dachten, heya, Tai-Pan?«
»Special Branch oder Special Intelligence müssen sofort eingeschaltet worden sein. Ich wette, daß man auch bereits mit dem FBI und der CIA Kontakt aufgenommen hat. Daß Brian Kwok mitmischt, ist logisch. Er ist ein alter Kumpel von Armstrong – und einer der besten Leute, die wir haben.«
»Jawohl«, stimmte Claudia ihm zu. »Was für einen prächtigen Ehemann er doch für eine Dame abgeben würde!«
»Vorausgesetzt, daß es sich um eine Tschen handelt, nicht wahr? Noch mehr Macht, heya? « Es war allgemein bekannt, daß Brian Kwok gute Aussichten hatte, zum ersten chinesischen Assistant District Commissioner ernannt zu werden.
Das Telefon läutete. Sie hob ab. »Ja, ich werde es ihm sagen.« Verärgert legte sie auf.
»Der Adjutant des Gouverneurs – um mich an den Cocktail um sechs zu erinnern – als ob ich das vergessen würde!«
Dunross nahm eines der Telefone und wählte eine Nummer.
» Weyyyy? « kam die grobe Stimme der amah, der chinesischen Dienerin. »Hallo?«
»Tschen taitai «, meldete er sich auf Kantonesisch. »Mrs. Tschen bitte, hier spricht Mr Dunross.« Er wartete. »Guten Morgen, Barbara.«
»O hallo, Ian. Hast du von John gehört? Tut mir leid, daß ich dich belästigt habe.«
»Ist doch keine Belästigung. – Nein, noch nicht. Aber sobald ich von ihm höre, werde ich sofort veranlassen, daß er dich anruft. Hast du es im Jockey-Club versucht?«
»Ja aber dort erinnern sie sich nicht, ihn beim Frühstück gesehen zu haben,
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