Hongkong 02 - Noble House Hongkong
setzte sich in seine Nähe und schlug den Stenoblock auf.
»Ich dachte gerade an meinen D-Tag«, sagte er. »Der Tag, an dem ich hier einzog.«
»Schon lange her.«
Er lachte. »Schon lange her? Vierzig Lebensalter ist es her. Kaum drei Jahre sind vergangen, aber die Welt hat sich verändert, und es geht alles so schnell. Was werden die nächsten Jahre bringen?«
»Mehr vom gleichen, Tai-Pan. Wie ich höre, sind Sie Miss Casey Tcholok vor unserem Portal begegnet.«
»Wer hat Ihnen das erzählt?« fragte er in scharfem Ton, »Großer Gott, Tai-Pan, ich kann doch meine Quellen nicht preisgeben. Aber ich habe auch gehört, daß Sie sie angestarrt haben und sie Sie. Heya? «
»Unsinn! Wer hat Ihnen von ihr erzählt?«
»Ich rief gestern noch das Hotel an, um mich zu vergewissern, daß alles klappt. Ich sprach mit dem Geschäftsführer. Wissen Sie, daß dieser dumme Kerl sie abweisen wollte? Ob die nun eine Suite oder ein Bett miteinander teilen, braucht Sie nicht zu kümmern, sagte ich ihm. Wir schreiben 1963. Und außerdem ist es eine feine Suite mit zwei Eingängen und getrennten Schlafzimmern und, was das Wichtigste ist, sie sind unsere Gäste.« Sie kicherte. »Ich habe ein bißchen meinen Rang geltend gemacht …«
»Haben Sie dem jungen Linbar oder den anderen etwa gesagt, daß K.C. eine Frau ist?«
»Nein. Niemandem. Daß Sie es wußten, war mir bekannt. Barbara Tschen erzählte mir, daß Meister John Sie schon wegen Casey Tcholok angerufen hatte. Wie ist sie denn?«
» Leckeres Betthäschen wäre eine Möglichkeit, sie zu beschreiben«, antwortete er und lachte.
»Gut – und was sonst?«
Dunross überlegte kurz. »Sie ist sehr attraktiv, sehr gut angezogen – wenn auch, vielleicht uns zu Gefallen, ein wenig dezent. Sehr selbstsicher. Eine gute Beobachterin – sie bemerkte, daß unsere Eingangstür schief steht, undwollte wissen, warum.«
Er nahm ein elfenbeinernes Papiermesser und spielte damit. »Wie geschickt sie als Verhandlungspartnerin ist, werden wir bald erfahren.« Er lächelte: »Ich habe sie unangemeldet hineingeschickt.«
»Ich wette fünfzig Hongkong-Dollar: Zumindest einer wußte schon vorher, daß sie eine Frau ist.«
»Philip Tschen natürlich – aber dieser alte Fuchs behielt diese Information für sich. Ich wette hundert Dollar, daß weder Linbar noch Jacques noch Andrew Gavallan etwas wußten.«
»Die Wette gilt«, sagte Claudia munter. »Sie können gleich zahlen, Tai-Pan. Ich habe mich schon heute früh diskret erkundigt.«
Sie hielt ihm die offene Hand hin. »Wette ist Wette, Tai-Pan.«
Widerwillig reichte er ihr die rote Hundert-Dollar-Note.
»Vielen Dank. Und jetzt wette ich hundert, daß Casey Tcholok mit Meister Linbar, Meister Jacques und Andrew Gavallan Schlitten fahren wird.«
»Woher wollen Sie das wissen?« fragte er argwöhnisch.
»Hundert?«
»Gilt.«
»Ausgezeichnet«, sagte sie und wechselte das Thema. »Was ist mit dem Dinner für Mr. Bartlett? Das Golfmatch und der Ausflug nach Taipeh? Dazu kann man natürlich keine Frau mitnehmen. Soll ich diese Termine streichen?«
»Nein. Ich werde mit Bartlett reden – er wird das sicher verstehen. Aber ich habe sie zusammen mit ihm zum Rennen am Sonnabend eingeladen.«
»Oh, das sind dann zwei zuviel. Ich werde den Pangs absagen, es wird ihnen nichts ausmachen. Sollen sie beide an Ihrem Tisch sitzen?«
Dunross’ Stirn legte sich in Falten. »Sie sollte als Ehrengast an meinem Tisch sitzen. Setzen Sie ihn als Ehrengast neben Penelope.«
»Sehr gut. Ich werde Mrs. Dunross anrufen und ihr Bescheid sagen. Ach ja – und Barbara möchte mit Ihnen reden.« Claudia seufzte und glättete eine Falte in ihrem adretten dunkelblauen chong-sam. »Meister John ist heute nacht nicht nach Hause gekommen. Wie ich höre, war er nicht beim Morgengebet.«
»Ja, das weiß ich. Ich habe ihm selbst gesagt, er könnte es heute schwänzen.« Morgengebet nannten die Insider von Struan’s scherzhaft die tägliche obligatorische, für acht Uhr früh angesetzte Zusammenkunft aller Direktoren aller Niederlassungen mit dem Tai-Pan. »Wozu hätte er heute kommen sollen? Bis zum Lunch gibt es für ihn nichts zu tun. Wahrscheinlich ist er auf seinem Boot. Wir haben heute prächtiges Segelwetter.«
»Die Temperatur seiner Frau Gemahlin ist gewaltig erhöht, Tai-Pan – selbst für ihre Verhältnisse.«
»MC hat immer erhöhte Temperatur, das arme Luder! John wird auf seinem Boot sein – oder bei Ming-li. Haben Sie schon bei ihr
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