Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Innenkurve. Er mußte scharf bremsen, als er um eine Biegung schoß und ein altes, langsam fahrendes Lastauto vor sich sah. Er wartete geduldig; dann scherte er im richtigen Moment aus und hatte bereits sicher überholt, als ein entgegenkommender Wagen um die nächste Biegung kam. Jetzt konnte Dunross sehen, daß ein kurzes Stück der in Serpentinen verlaufenden Straße frei war. Er trat kräftig aufs Gas, schnitt einige Kurven, bemächtigte sich beider Fahrbahnen, gebrauchte Hand und Auge, Fuß, Bremsen und Schalthebel in sicherer Routine und spürte die gewaltige Kraft des Motors in allen Gliedern. Plötzlich tauchte ein ihm entgegenkommender LKW auf, und seine Freiheit war dahin.
In Bruchteilen von Sekunden schaltete er herunter und bremste, beschleunigte und raste noch tückischeren Schleifen entgegen. Wieder ein Lastwagen, diesmal mit Menschen beladen. Er blieb ein paar Meter zurück, denn er wußte, daß es jetzt eine Weile keine Gelegenheit zum Überholen gab. Dann bemerkte eine Frau auf dem LKW sein Nummernschild, 1-1010, sie zeigte darauf, und alle schauten hin, plapperten aufgeregt und einer hämmerte auf das Führerhaus des LKW. Entgegenkommenderweise wich der Fahrer auf das schmale Bankett aus und signalisierte ihm, seinen LKW zu überholen. Dunross vergewisserte sich, daß keine Gefahr bestand, und überholte. Lächelnd winkte er den Menschen zu.
Noch mehr Kurven, und das Tempo, das Warten aufs Überholen, das Überholen selbst und die Gefahr bereiteten ihm Vergnügen. Dann bog er links in die Magazine Gap Road ein. Er ließ ein Taxi hinter sich und dann, sehr schnell, drei Wagen und war schon wieder in der Reihe, als er die Verkehrspolizisten auf ihren Motorrädern weiter vorn warten sah. Er schaltete herunter und fuhr mit den erlaubten 50 Stundenkilometern an ihnen vorbei. Jovial winkte er ihnen zu. Sie winkten zurück.
»Du mußt wirklich langsamer werden, Ian«, hatte sein Freund Henry Foxwell, Leiter der Verkehrspolizei, kürzlich zu ihm gesagt. »Wirklich.«
»Ich hatte nie einen Unfall – bis jetzt. Ich habe auch noch nie einen Strafzettel bekommen.«
»Guter Gott, Ian, es gibt doch auf der ganzen Insel keinen Verkehrspolizisten, der es wagte, dir ein Strafmandat zu verpassen. Dir, dem Tai-Pan! Der Gedanke allein …! Ich sage es zu deinem Besten. Heb dir dein Rasen für Monaco auf oder für das Straßenrennen in Macao.«
»Macao ist für Berufsfahrer. Ich gehe keine Risiken ein, und überhaupt fahre ich nicht so schnell.«
»Hundertsieben Kilometer in der Stunde in Wongniechong ist nicht gerade langsam, alter Freund. Zugegeben, es war 4 Uhr 23 früh. Aber es war eine Strecke, auf der die Geschwindigkeit mit 50 Stundenkilometern begrenzt ist.«
»Es gibt eine Menge Jaguars der Klasse E in Hongkong.«
»Ja, das stimmt. Sieben. Scharlachrotes Kabriolett mit einem besonderen Nummernschild? Mit einem schwarzen Kabriodach, Rennrädern und Rennreifen, die einen Höllenlärm machen? Es war letzten Donnerstag, alter Knabe. Radar und so. Du warst … Freunde besuchen. In der Sinclair Road, wenn ich mich recht besinne.«
Dunross hatte nur mit Mühe seine Wut gezügelt. »Oh?« sagte er, und sein Gesicht lächelte, aber nur an der Oberfläche, »Donnerstag? Mir ist, als hätte ich mit John Tschen zu Abend gegessen. In seiner Wohnung in den Sinclair Towers. Aber ich denke, ich bin schon lange vor 4 Uhr 23 zu Hause gewesen.«
»Ach, ganz sicher warst du das. Ganz sicher hat sich der Beamte mit dem Nummernschild, mit der Farbe und überhaupt geirrt.« Foxwell klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ja, ich bin sicher, er hat sich geirrt.«
Aber es war kein Irrtum, hatte Dunross sich gesagt. Du weißt es, ich weiß es, John Tschen wird es wissen und natürlich auch Wei-wei.
Ihr Burschen wißt also von Wei-wei? Das ist interessant.
»Werde ich beobachtet?« fragte er ohne Umschweife.
»Guter Gott, nein!« Foxwell war schockiert gewesen. »Special Intelligence war auf der Spur eines Gauners, der in den Sinclair Towers seine Wohnung hat. Dich hat man zufällig gesehen. Du bist hier ein sehr bedeutender Mann. Du weiß ja, wie das geht.«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Man sagt, kluge Leute brauchen keine langen Erklärungen.«
»Ja, das sagt man. Drum wäre es vielleicht besser, du würdest deinen Leuten vom Nachrichtendienst nahelegen, in Zukunft intelligenter zu sein.«
»Glücklicherweise sind sie sehr diskret.«
»Trotzdem möchte ich nicht, daß meine Bewegungen aktenkundig
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