Hongkong 02 - Noble House Hongkong
hinuntergestoßen wurde.
Der halbe Absatz zwischen dem ersten und zweiten Deck war noch nicht von den Flammen erfaßt, obwohl sich das Feuer immer weiter ausbreitete. Zwar verstopften immer noch mehr als hundert die oberen Treppen und Türen, aber die Zahl der Flüchtenden nahm allmählich ab. Die Leute oben drängten und fluchten; sie konnten nicht sehen, was weiter unten vorging.
Auch Grey war auf der Treppe zum zweiten Deck eingeschlossen. Aus der Wand vor ihm sah er Flammen schlagen und wußte, daß sie jeden Augenblick zersplittern mußte. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er vor oder zurück sollte. Dann sah er einen Jungen, der unter dem Geländer kauerte. Er nahm den Kleinen in seine Arme und drängte weiter.
Gornt und die anderen auf dem Oberdeck hörten das Inferno, das unten wütete. Er zählte nur mehr dreißig oder vierzig, die hier zurückgeblieben waren. Er trank aus, stellte sein Glas ab und ging zu der Gruppe um Dunross hinüber. Orlanda saß immer noch auf ihrem Stuhl und spielte nervös mit ihrem Taschentuch. Fleur und Peter Marlowe waren nach außen hin ruhig, und Dunross, wie üblich, Herr der Lage.
Gut, dachte er und dankte Gott für sein gesundes Erbgut und seine Erziehung zur Disziplin. Es war britische Tradition, daß man in gefährlichen Situationen, wie angstgepeinigt man auch sein mochte, es nie zeigte, und schließlich, dachte er, sind die meisten von uns schon einmal in ihrem Leben mit Bomben beworfen, beschossen, versenkt oder in Kriegsgefangenenlager gesteckt worden. Fast alle waren einmal im Wehrdienst. Gornts Schwester hatte Dienst im Women’s Royal Navy Service gemacht, seine Mutter als Luftschutzwart, sein Vater in der Armee. Sein Onkel war vor Cassino gefallen, und er selbst hatte mit den Australiern auf Neuguinea gedient und sich dann anschließend nach Birma und zuletzt nach Singapur durchgekämpft.
»Ian«, sagte Gornt in nonchalantem Ton, »es hört sich an, als ob das Feuer das erste Deck erreicht hätte. Ich schlage vor, wir gehen schwimmen.«
Dunross warf einen Blick auf die Tür. »Einige der Damen können nicht schwimmen. Warten wir noch ein paar Minuten!«
»Na schön. Vielleicht sollten die, denen das Springen nichts ausmacht, auf das Vordeck hinausgehen. Dieses Feuer ist wirklich sehr witzlos.«
»Ich finde es nicht gerade witzlos«, meinte Casey.
Alle lachten. »Das ist nur so eine Redewendung«, klärte Peter Marlowe sie auf.
Eine Explosion unter Deck erschütterte das Schiff ein wenig. Gespenstische Stille trat ein.
In der Küche hatte sich das Feuer auf die Vorratsräume ausgebreitet und schloß nun die restlichen Fünfhundert-Liter-Fässer Öl ein. Das eine, das explodiert war, hatte ein gähnendes Loch in den Fußboden gerissen und die Schiffswand eingebuchtet.
Glutasche, brennendes Öl und etwas Meerwasser ergossen sich in das Speigatt. Die Explosion hatte auch einige der großen Spanten des flachen Schiffsbodens zersprengt, und durch die Spalten sickerte Wasser. Horden von Ratten jagten davon, suchten einen Fluchtweg.
Wieder explodierte eines der großen Metallfässer und riß knapp unter der Wasserlinie ein breites Loch in die Schiffswand. Feuer spritzte nach allen Seiten. Die Menschen auf dem Pier wichen zurück, obwohl keine Gefahr für sie bestand. Andere lachten nervös. Abermals explodierte ein Faß, und Feuergarben spritzten in alle Richtungen. Die jetzt mit Öl getränkten, stark geschwächten Deckenträger und Unterzüge begannen zu brennen. Immer noch hatte Grey das Kind in den Armen. Sich mit einer Hand am Geländer festhaltend, versuchte er es, so gut er konnte, vor den drängenden, schiebenden und stoßenden Menschen zu schützen. Er tauchte um die Flammen herum und sprang die restlichen Stufen hinunter. »Beeilt euch!« rief er den Nachkommenden zu. In dem Augenblick, da er den Laufsteg erreichte, explodierten die letzten beiden Fässer. Der ganze Boden hinter ihm verschwand und zusammen mit einigen anderen wurde er mit dem Kind nach vorn geschleudert.
Hugh Guthrie löste sich aus der Schar der Zuschauer und brachte Grey und das Kind in Sicherheit. »Alles in Ordnung, alter Knabe?« fragte er besorgt.
Halb betäubt rang Grey nach Atem. Seine Kleider schwelten, und Guthrie half ihm, sie auszuklopfen. »Ja … Ja, ich denke schon …«, stammelte er.
Vorsichtig nahm Guthrie ihm das bewußtlose Kind ab. »Armer kleiner Racker.
Hier …« Er reichte den kleinen Chinesenjungen an einen Zuschauer weiter, und beide Männer liefen
Weitere Kostenlose Bücher