Hongkong 02 - Noble House Hongkong
überzeugen, daß niemand mehr da war. Dann sah er die leblose Gestalt eines Mannes auf der Treppe liegen. Die Flammen waren überall. Er fühlte, wie abermals Angst in ihm aufstieg, und wieder kämpfte er sie nieder, sprang vor und zerrte den Mann die Treppe hinauf. Der Chinese war schwer, und er wußte nicht, ob der Mann noch lebte oder nicht. Dann stand Bartlett neben ihm, und zusammen schleppten sie ihn auf das Vordeck hinaus.
»Danke«, keuchte Dunross.
Quillan Gornt kam dazu, beugte sich nieder und drehte den Chinesen um. Das Gesicht war teilweise angesengt. »Die Heldentat hätten Sie sich sparen können. Er ist tot.«
»Wer ist es?« fragte Bartlett.
Gornt zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Kennen Sie ihn, Ian?«
Dunross starrte auf die Leiche hinunter. »Ja. Das ist Zep … Zeppelin Tung.«
»Knausers Sohn?« Gornt war überrascht. »Mein Gott, hat der aber Fett angesetzt! Ich hätte ihn nicht wiedererkannt.« Er richtete sich auf. »Wir sollten jetzt alle darauf vorbereiten, daß sie springen müssen. Das Schiff wird zum Friedhof.« Er sah Casey an der Reling stehen und ging auf sie zu. »Alles in Ordnung?«
»Ja, danke. Und bei Ihnen?«
»Alles bestens.«
Orlanda stand immer noch neben ihr und starrte schreckensbleich ins Wasser. Die Menschen auf dem Vordeck liefen unentschlossen hin und her. »Ich muß das organisieren«, sagte Gornt. »Bin gleich wieder da.« Er entfernte sich.
Eine neue Explosion erschütterte das Schiff, das immer stärkere Schlagseite zeigte.
Mehrere Leute kletterten über die Reling und sprangen. Sampane fischten sie aus dem Wasser.
Christian Toxe hatte seinen Arm um seine chinesische Frau gelegt und blickte mißmutig über Bord.
»Sie werden springen müssen, Christian«, sagte Dunross.
»Hier in den Hafen von Aberdeen? Soll wohl ein Witz sein? In diesen Drecktümpel?«
»Entweder das, oder Sie brennen wie Zunder!« rief ihm ein Mann lachend zu.
Sich an der Reling festhaltend, kam Sir Charles Pennyworth, den Leuten Mut zusprechend, das Vordeck herunter. »Kommen Sie«, sagte er zu Orlanda. »Es ist nicht schwer.«
Entsetzt schüttelte sie den Kopf. »Nein … noch nicht … ich kann nicht schwimmen!«
Fleur Marlowe legte den Arm um sie. »Keine Bange, ich kann auch nicht schwimmen. Ich bleibe auch da.«
»Sie brauchen nichts zu tun, als den Atem anzuhalten, Mrs. Marlowe«, redete Dunross ihr zu.
»Sie wird nicht springen«, erklärte Peter Marlowe dezidiert. »Und wenn, erst in letzter Minute.«
»Es kann ihr doch nichts passieren!«
»Sie erwartet ein Kind. Sie ist im dritten Monat.«
Aus einem der Schornsteine schossen Flammen auf. Drinnen im Saal brannten die Tische. Mit einem Funkenregen brach die Treppe zusammen. »Mein Gott, gibt es denn hier überhaupt keinen Notausgang? Was ist mit den Leuten da unten?« fragte Casey.
»Die sind schon längst draußen«, versicherte ihr Dunross, ohne es selbst zu glauben.
Hier unter freiem Himmel fühlte er sich ausgezeichnet. Seine Genugtuung darüber, daß es ihm gelungen war, seine Furcht zu besiegen, artete in Übermut aus. »Herrliche Aussicht hier oben, meinen Sie nicht?«
»Wir haben Glück!« rief Pennyworth fröhlich. »Das Schiff krängt nach dieser Seite.
Wenn es untergeht, kann uns nichts passieren. Außer es kentert. Wie in guten alten Zeiten!« fügte er hinzu. »Dreimal wurde ich im Mittelmeer versenkt.«
»Wie tief ist das Wasser hier?« erkundigte sich Bartlett.
»Mindestens zwanzig Fuß, wenn nicht mehr«, antwortete Dunross.
»Das würde gen …« Mit heulenden Sirenen kam das Polizeiboot durch die schmale Zufahrt zwischen den Dschunkeninseln. Als es längsseits des »Schwimmenden Drachen« lag, ertönte laut das Megaphon, zuerst auf Chinesisch: »Alle Sampane Umgebung der Brandstelle räumen, Umgebung der Brandstelle räumen!« Dann in englischer Sprache: »Die Herrschaften auf dem Vordeck, Schiff verlassen! Unterschiff schwer beschädigt, Schiff verlassen!«
»Der Teufel soll mich holen, wenn ich mir mein einziges Dinnerjackett kaputtmache!« murmelte Christian Toxe verdrießlich vor sich hin.
Das Deck neigte sich bedrohlich. Langsam fing das Schiff an abzusinken. Durch das große Loch in der Bordwand strömte das Wasser ins Innere. Unerschrocken gebrauchten die Feuerwehrleute die Schläuche, brachten es aber nicht fertig, den Brand einzudämmen. Ein Murmeln ging durch die Menge, als das ganze Schiff erbebte. Zwei Haltetrossen rissen.
Pennyworth lehnte am Schandeckel und half
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