Hongkong 02 - Noble House Hongkong
einen Weg aus dem Eingang erkämpften. Es gab keine andere Treppe oder Leiter oder sonst eine Möglichkeit zu entkommen. Sein Herz hämmerte, aber er empfand keine Furcht. Noch sind wir nicht wirklich in Gefahr, dachte er.
Wir können ins Wasser springen. Ganz leicht. Wie hoch sind wir denn schon? Dreißig Fuß, vierzig Fuß – kein Problem, wenn wir keinen Bauchklatscher machen. Er lief wieder zurück. Aus den Schornsteinen quoll schwarzer Rauch, die Flammen züngelten, und Funken sprühten.
Bartlett öffnete die Tür zum Speisesaal und schloß sie schnell wieder, um keinen Zug entstehen zu lassen. Der Rauch war viel dichter geworden, und die Flammen loderten jetzt ständig aus den Speiseaufzügen. Der Rauch war ätzend, und es roch nach verbranntem Fleisch. Fast alle drängten sich um die Tür am anderen Ende. Vorsichtig ging er um die Speiseaufzüge herum und hätte um ein Haar Christian Toxe umgestoßen, der über einem Telefon hockte und hineinbrüllte. »… ist mir scheißegal, schick einen Fotografen her, und dann ruf die Feuerwehr!« Zornig knallte er den Hörer auf die Gabel. »Die Idioten«, murmelte er und ging zu seiner Frau zurück, einer sehr mütterlichen Chinesin, die ihn verständnislos anstarrte. Bartlett eilte auf Dunross zu. Tonlos pfeifend stand der Tai-Pan neben Peter und Fleur Marlowe, Orlanda und Casey.
»Nichts, Ian«, sagte er ruhig und merkte, wie sonderbar seine Stimme klang. »Keine Treppe, keine Leiter, nichts. Aber wenn es nötig ist, können wir springen. Geht ganz leicht.«
»Allmächtiger!« murmelte Casey. Sie bemühte sich, ihr hämmerndes Herz zu beruhigen und ein aufwallendes Gefühl von Klaustrophobie niederzukämpfen. Ihre Haut wurde feucht, und ihre Augen flogen zwischen der Tür und den Fenstern hin und her. Bartlett legte seinen Arm um sie.
»Können Sie schwimmen, Casey?« fragte Dunross.
»Ja. Ich … ich war schon einmal in einem Feuer. Seitdem habe ich eine Todesangst davor.« Vor ein paar Jahren hatte ihr Häuschen in den Hollywood Hills von Los Angeles durch einen sommerlichen Waldbrand Feuer gefangen. Sie hatte nicht fliehen können, denn die Canon-Straße im Tal hatte bereits in Flammen gestanden. Sie hatte alle Sprenger aufgedreht und das Dach mit dem Gartenschlauch bespritzt. Das Feuer hatte nach ihr gegriffen. Dann hatte es den Gipfel des Hügels erreicht und war von einem Hügelkamm zum anderen gesprungen, um auf beiden Hängen zum Talboden hinunterzurasen. Die tosenden Flammen verzehrten Bäume und Häuser und kamen immer näher; es gab keinen Ausweg. Verzweifelt hatte sie das Dach besprüht. Sie war eingeschlossen von Hitze, Rauch und Angst, und das Feuer kam näher und näher – doch es blieb fünfzig Fuß vor ihrer Grundgrenze stehen. Einfach so.
Die höher gelegenen Häuser ihrer Straße waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Im Canon so gut wie alle. Drei Tage brannte ein Streifen, eine halbe Meile breit und zwei Meilen lang, in den Hügeln, die Los Angeles in zwei Teile schnitten.
»Mir geht es gut, Linc«, sagte sie ein wenig wackelig. »Ich … ich möchte lieber draußen sein. Komm, gehen wir! Ein Schwimmfest ist eine feine Sache.«
»Ich kann nicht schwimmen!« Orlanda zitterte am ganzen Körper. Sie verlor ihre Beherrschung und sprang auf, um zur Tür zu laufen.
Bartlett packte sie. »Es wird alles gutgehen. Mein Gott, so schaffen Sie es doch nie! Hören Sie die armen Menschen da unten? Bleiben Sie da? Über die Treppe kommen Sie nicht weit.« Wie erstarrt klammerte sie sich an ihn.
»Es wird Ihnen nichts passieren«, sagte Casey mitfühlend.
»Natürlich nicht«, pflichtete Dunross ihr bei, die Augen auf das Feuer und den aufwallenden Rauch gerichtet.
»Vergleichsweise geht es uns doch hier sehr gut, meinen Sie nicht, Tai-Pan?« sagte Marlowe. »Das Feuer muß in der Küche ausgebrochen sein. Sicher haben sie es schon gelöscht. Fleur, mein Liebes, wir brauchen nicht über Bord zu springen.«
»Es wäre nichts dabei«, versicherte ihm Bartlett. »Es sind genug Sampane da, um uns herauszufischen.«
»Schon, aber sie kann auch nicht schwimmen.«
Fleur legte ihre Hand auf den Arm ihres Gatten. »Du hast mich immer gedrängt, ich sollte es lernen.«
Dunross hörte nicht zu. Angst würgte ihn, und er versuchte sie niederzukämpfen.
Seine Nase füllte sich mit dem Gestank von brennendem Fleisch, den er, ach, so gut kannte, und er war dem Erbrechen nahe. Er saß wieder in seiner lodernden Spitfire, über dem Kanal
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