Hongkong 02 - Noble House Hongkong
und die Morgenarbeit ist von fünf bis sechs. Der verdammte Kerl! Er ist so rücksichtslos!«
»Wahrscheinlich ist er auf seinem Boot. Hier hat er nichts zu tun, und heute ist herrliches Segelwetter. Du weißt ja, wie er ist – hast du es schon am Liegeplatz versucht?«
»Die haben dort leider kein Telefon. Und ich kann jetzt nicht nach Aberdeen fahren, ich muß zum Friseur – ganz Hongkong kommt heute abend zu deiner Party.«
»Schick doch einen deiner Fahrer!«
»Tang hat heute seinen freien Tag, und Wu-chat muß mich herumfahren. Ich kann ihn einfach nicht nach Aberdeen schicken – dazu würde er eine Stunde brauchen, und von zwei bis vier habe ich eine Mah-Jong-Partie.«
»Ich werde John sagen, daß er dich anrufen soll. Aber ich sehe ihn erst um die Mittagszeit.«
»Ich bin frühestens um fünf wieder zurück. Na ja, vielen Dank, tut mir leid. Wiedersehen.«
»Wiedersehen.« Dunross legte auf und seufzte. »Ich komme mir vor wie ein Kindermädchen.«
»Sprechen Sie mit Johns Vater, Tai-Pan«, riet Claudia Tschen.
»Habe ich schon. Einmal. Und das genügt. Es ist nicht alles nur Johns Schuld. Dieses Weib kann jeden zur Raserei treiben.«
Wieder klingelte das Telefon, und Claudia hob ab. »Hallo, Sekretariat des Tai-Pan!«
Ihre Heiterkeit verflüchtigte sich. »Augenblick, bitte.« Sie drückte auf den Warteknopf. »Ein Gespräch mit Voranmeldung aus Yokohama. Hiro Toda.«
Dunross kannte die Abneigung, die sie gegen diesen Mann hegte; er wußte, daß sie die Japaner haßte und daß ihr die Geschäftsbeziehungen zwischen ihnen und Noble House ein Dorn im Auge waren. Auch er konnte den Japanern nicht verzeihen, was sie Asien im Krieg angetan hatten. Den Menschen in den von ihnen besetzten Gebieten. Den Wehrlosen. Männern, Frauen und Kindern. Als Soldaten hatte er ihnen nichts vorzuwerfen. Gar nichts. Krieg war Krieg.
Seinen eigenen Krieg hatte er gegen die Deutschen geführt. Claudia aber den ihren hier in Hongkong. Weil sie Eurasierin war, hatte man sie während der japanischen Besetzung nicht mit den europäischen Zivilisten ins Stanley-Gefängnis gesperrt.
Sie, ihre Schwester und ihr Bruder hatten versucht, den Kriegsgefangenen zu helfen, hatten ihnen Lebensmittel, Arzneien und Geld ins Lager geschmuggelt. Die Kampeitai, die japanische Militärpolizei, hatte sie erwischt. Jetzt konnte sie keine Kinder mehr bekommen.
»Soll ich sagen, Sie seien nicht da?« fragte sie.
»Nein.« Vor zwei Jahren hatte Dunross bei den Toda Shipping Industries in Yokohama zwei riesige Frachtschiffe bestellt, um die Struan-Flotte, die im Krieg stark dezimiert worden war, wieder aufzubauen. Er hatte sich für die japanische Werft entschieden, weil ihre Schiffe die perfektesten und ihre Konditionen die besten waren.
»Hallo, Hiro«, sagte er, »nett, von Ihnen zu hören. Wie sieht es in Japan aus?«
»Bitte entschuldigen Sie die Störung, Tai-Pan! Hier sieht es gut aus, aber es ist heiß und feucht.«
»Wie geht es unseren Schiffen?«
»Alles läuft wie geplant, Tai-Pan. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß ich im Rahmen einer Geschäftsreise Sonnabendmorgen nach Hongkong komme. Ich bleibe über das Wochenende, fliege dann nach Singapur und Sydney weiter, komme aber rechtzeitig zum Abschluß nach Hongkong zurück.«
»Um welche Zeit treffen Sie am Sonnabend ein?«
»Um 11 Uhr 10, Japan Air Lines.«
»Ich lasse Sie mit einem Auto abholen. Wie wäre es, wenn Sie direkt nach Happy Valley zum Rennen kämen? Sie lunchen mit uns, und dann bringt Sie mein Wagen ins Hotel. Sie logieren im Victoria and Albert?«
»Diesmal im Hilton auf der Hongkong-Seite. Vielen Dank, Tai-Pan. Ich freue mich schon, Sie zu sehen. Tut mir leid, Ihnen zur Last zu fallen.«
Dunross legte den Hörer auf. Er konnte den Japaner gut leiden. Warum er wohl anrief? Hiro Toda, geschäftsführender Direktor des aggressivsten Schiffsbaukonzerns Japans, handelte nie spontan oder unüberlegt.
Dunross dachte an den Abschluß ihrer Verhandlungen und an die Zahlungen von je zwei Millionen, die jetzt am 1., 11. und 15. September fällig werden sollten. Der Rest in neunzig Tagen. Insgesamt zwölf Millionen US-Dollar, über die er im Augenblick nicht verfügte. Ebensowenig wie über den von einem Charterer unterzeichneten Vertrag zur Deckung des Bankkredits, den er auch noch nicht hatte. »Macht nichts«, sagte er lässig, »es wird schon alles gutgehen.«
»Für diese Burschen, ja«, sagte Claudia. »Sie wissen, daß ich ihnen nicht über den Weg
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