Hongkong 02 - Noble House Hongkong
traue. Keinem von ihnen.«
»Sie sollten sie nicht tadeln, Claudia; sie versuchen wirtschaftlich zu erreichen, was ihnen militärisch nicht gelungen ist. Sie sind harte Arbeiter, sie erzielen Gewinne, und sie werden uns kaputtmachen, wenn wir es zulassen. Aber man braucht auch einen Engländer – oder Schotten – nur zu ritzen, und man findet einen Piraten. Wenn wir so vernagelt sind und nichts dagegen tun, verdienen wir es, unterzugehen.«
»Aber warum sollten wir dem Feind helfen?«
»Sie waren Feinde«, erwiderte er ruhig, »nur für einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren. Aber unsere Verbindungen reichen ein Jahrhundert zurück. Haben wir nicht als erste Handel mit Japan getrieben? Hat nicht ›die Hexe‹ Struan 1860 das erste Grundstück für uns erstanden, das in Yokohama zum Kauf angeboten wurde? Hat sie nicht das Dreieck China – Japan – Hongkong zu einem Eckpfeiler von Struans Politik gemacht?«
»Ja, Tai-Pan, aber meinen Sie nicht …«
»Nein, Claudia, wir haben hundert Jahre mit den Todas, den Kasiges und den Toranagas Handel getrieben, und gerade jetzt ist Toda Shipping sehr wichtig für uns.«
Wieder läutete das Telefon, und sie hob ab. »Gut! Stellen Sie durch! … Bill Foster aus Sydney.«
Dunross nahm ihr den Hörer aus der Hand. »Bill … Nein, Sie waren der erste auf der Liste. Ist die Sache mit Woolara Properties gelaufen? … Was ist denn dazwischengekommen? … Das interessiert mich nicht.« Er sah auf die Uhr. »Bei euch ist es jetzt Mittag vorbei. Rufen Sie gleich dort an! Bieten Sie ihnen fünfzig australische Cents mehr pro Aktie, und halten Sie Ihr Angebot bis Geschäftsschluß heute abend aufrecht. Dann setzen Sie sich mit der Bank in Sydney in Verbindung und geben Sie Auftrag, auf der Rückzahlung aller Darlehen bis heute abend zu bestehen … Das ist mir schnurz – sie sind sowieso schon dreißig Tage überfällig. Ich möchte die Company jetzt in die Hand bekommen. Ohne sie geht das Chartergeschäft mit unseren neuen Großfrachtern in die Brüche. Und buchen Sie für den Quantas-Flug 543 am Donnerstag! Ich brauche Sie hier bei einer Konferenz.« Er legte auf. »Lassen Sie mir Linbar heraufkommen, sobald die Besprechung mit der Tcholok zu Ende ist. Buchen Sie ihm einen Platz für Quantas 716 Freitag früh nach Sydney.«
»Ja, Tai-Pan.« Sie machte sich ein paar Notizen und reichte ihm eine Liste. »Das sind Ihre Termine für heute.«
Er warf einen Blick darauf. Vormittag vier Aufsichtsratssitzungen von Tochtergesellschaften: Golden Ferry um 10 Uhr 30, Struan’s Motor Import um elf, Chong-Li Foods um 11 Uhr 15 und Kowloon Investments um 11 Uhr 30. Lunch mit Lincoln Bartlett und Miss Casey Tcholok von 12 Uhr 40 bis 14 Uhr. Weitere Aufsichtsratssitzungen am Nachmittag, Peter Marlowe um 16 Uhr, Philip Tschen um 16 Uhr 20, um sechs Cocktail beim Gouverneur und die eigene Party um 20 Uhr. Um elf sollte er Alastair Struan in Schottland anrufen und im Lauf des Tages noch mindestens fünfzehn andere Leute in ganz Asien.
»Marlowe?« fragte er.
»Er ist Schriftsteller, im Vic abgestiegen – erinnern Sie sich noch? Hat vor einer Woche um einen Termin ersucht. Er schreibt ein Buch über Hongkong.«
»Ach ja – der Mann, der in der RAF gedient hat.«
»Stimmt. Soll ich ihn verschieben?«
»Nein. Lassen Sie alles, wie es ist, Claudia!« Er nahm ein Dutzend Kärtchen mit Anmerkungen in Kurzschrift aus der Tasche. »Das sind Fernschreiben und Telegramme, die gleich hinausgehen sollen, und Notizen für die Vorstandssitzungen. Verbinden Sie mich mit Jen in Taipeh, dann mit Havergill in der Bank, und dann gehen Sie die Liste durch!«
»Ja, Tai-Pan. Wie ich höre, tritt Havergill in den Ruhestand.«
»Wunderbar. Wer wird sein Nachfolger?«
»Das weiß noch niemand.«
»Wir wollen hoffen, daß es Johnjohn wird. Setzen Sie Ihre Spione in Marsch! Ich wette um hundert Dollar mit Ihnen, daß ich es noch vor Ihnen erfahre.«
»Gilt!«
»Fein.« Dunross hielt ihr die offene Hand hin. »Sie können gleich bezahlen«, sagte er honigsüß. »Es wird Johnjohn.«
»Was?«
»Wir haben es gestern abend beschlossen – alle Direktoren. Ich habe sie ersucht, es bis heute um elfgeheimzuhalten.«
Verdrießlich nahm sie die Hundertdollarnote wieder heraus und reichte sie ihm.
» Ayeeyah. Ich hatte diesen Geldschein schon in mein Herz geschlossen.«
Es klopfte an die Tür. »Herein«, sagte er.
Sandra Yi, seine Privatsekretärin, trat ein. »Verzeihen Sie, Tai-Pan, aber der
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