Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Kindheit, die Volkslieder Georgiens, stiegen in ihm auf. Er wischte eine Träne fort bei dem Gedanken an so viel Schönheit, aber so weit von hier. Na ja, bald kann ich Ferien machen. Daheim. Auch mein Sohn wird da sein, auf Urlaub aus Washington mit seiner jungen Frau und ihrem kleinen Sohn – in weiser Voraussicht in Amerika geboren. Es wird kein Problem sein, einen amerikanischen Paß für ihn zu bekommen. Als Vertreter der vierten Generation wird er uns dienen.
Die Dunkelheit bedrückte ihn. Auf Arthurs Wunsch hatte er die Vorhänge zugezogen, obwohl man sie sowieso nicht sehen konnte. Die Wohnung hatte eine Klimaanlage, aber Arthur hatte ihn ersucht, sie nicht einzuschalten, und auch kein Licht zu machen. Es war klug gewesen, das Apartment der Finns vor Grey zu verlassen; es hätte ja sein können, daß der SI doch einen Beschatter auf ihn angesetzt hatte – trotz Crosses Versicherung, daß er heute nacht keinen zu fürchten brauchte.
Er hatte ein Taxi genommen und es bei der Golden Ferry halten lassen, um die Abendzeitungen zu kaufen. Auf dem Umweg über Rose Court und den Tunnel war er hierhergekommen. Vor dem Rose Court hatte ein SI-Mann gestanden. Da war er wohl geblieben. Suslew war es gleich.
Das Telefon schrillte. Suslew zuckte zusammen. Drei Rufzeichen, dann Stille. Sein Herz fing wieder an zu schlagen. Arthur wird bald hier sein.
Er berührte die Pistole, die hinter einem Sofakissen steckte. Befehl von der Zentrale, einer der vielen, die er nicht guthieß. Suslew mochte keine Handfeuerwaffen. Bei Schußwaffen gab es eine Fehlerquote, bei Gift nicht. Seine Finger glitten über die winzige Phiole, die in seinen Rockaufschlag eingenäht war – nah genug, um sie mit dem Mund erreichen zu können.
Von seinem Platz aus konnte er die Vorder- und, durch die Küche, auch die Hintertür im Auge behalten. Seine Ohren horchten angestrengt; er hielt den Mund halb geöffnet, um ihre Empfindlichkeit noch zu steigern. Das Summen des Aufzugs. Seine Augen wanderten zur Eingangstür, aber das Summen verstummte schon einige Stockwerke tiefer. Er wartete. Die Hintertür öffnete sich, bevor er etwas hörte. Seine Eingeweide krampften sich zusammen, als er die dunkle Gestalt nicht gleich erkannte. Einen Augenblick lang war er wie gelähmt. Dann richtete sich die Gestalt aus ihrer gebeugten Körperhaltung auf.
» Kristos! « murmelte Suslew. »Du hast mich erschreckt.«
»Wir tun eben alles für unsere Kunden, alter Knabe.« Der vorgetäuschte trockene Husten vermischte sich mit den halb verschluckten Wörtern. »Bist du allein?«
»Selbstverständlich!«
Die Gestalt schob sich lautlos ins Wohnzimmer. Suslew sah, wie die Pistole weggesteckt wurde, und er lockerte den Griff auf der seinen, ließ sie aber hinter dem Kissen. Er stand auf und streckte die Hand aus. »Zur Abwechslung bist du heute einmal pünktlich.«
Sie schüttelten sich die Hände. Jason Plumm zog die Handschuhe nicht aus. »Beinahe wäre ich nicht gekommen«, sagte er mit seiner normalen Stimme.
»Was ist denn passiert?« fragte der Russe. »Und warum sollte ich die Vorhänge zuziehen und kein Licht machen?«
»Ich denke, die Wohnung könnte überwacht werden.«
»Was?« Suslew geriet in Unruhe. »Wieso erzählst du mir das erst jetzt?«
»Ich habe gesagt, ich denke, es könnte so sein. Ich bin nicht sicher. Wir haben keine Mühe gescheut, um hier eine konspirative Wohnung einzurichten, und ich möchte nicht, daß sie auffliegt.« Die Stimme des hochgewachsenen Engländers klang rauh.
»Hör mal, Genosse: Die Hölle ist los. Der SI hat da einen Kerl geschnappt, er kommt von deinem Schiff und heißt Metkin. Er …«
»Was?« Einen Schock vortäuschend, starrte Suslew ihn an.
»Metkin. Er soll politischer Kommissar …«
»Aber das ist doch unmöglich«, fiel Suslew ihm mit schwankender Stimme ins Wort – und verbarg geschickt sein Entzücken, daß Metkin in die von ihm gestellte Falle getappt war. »Metkin würde nie selbst zu einer Übergabe gehen.«
»Trotzdem, der SI hat ihn geschnappt. Armstrong hat ihn und einen Amerikaner vom Flugzeugträger verhaftet. Sie wurden in flagranti erwischt. Weiß Metkin etwas von Sevrin?«
»Nichts. Bis vor wenigen Tagen, als die Zentrale mich anwies, Woranskis Agenten zu übernehmen, wußte nicht einmal ich etwas«, sagte Suslew; es fiel ihm nicht schwer, die Wahrheit zu verschleiern.
»Du bist ganz sicher? Roger ist an die Decke gegangen! Metkin soll ein politischer Kommissar gewesen sein und
Weitere Kostenlose Bücher