Hongkong 02 - Noble House Hongkong
verständigen können, nicht wahr?«
Wieder kam eine Gruppe von Mädchen vorüber, und sie sah, wie sie Bartlett und dann auch sie abschätzig musterten und dann wegschauten. Orlanda wußte, daß die Hostessen sie verachteten, weil sie Eurasierin und in Begleitung eines quai-loh- Gastes war.
»Welche willst du haben?« fragte sie.
»Was?«
Sie mußte lachen, als sie sah, wie ihre Frage ihn schockierte. »Ach komm schon, Linc Bartlett, ich habe gesehen, wie dir die Augen beinah aus dem Kopf gefallen sind. Ich …«
»Hör auf damit, Orlanda«, rügte er sie mit einiger Schärfe. »In einem Lokal wie diesem kann man nicht einfach die Augen verschließen.«
»Natürlich nicht. Darum habe ich es ja vorgeschlagen«, gab sie rasch zurück und zwang sich zu einem Lächeln. Ihre Reaktionen waren schnell, ihre Hand lag auf seinem Knie. »Ich habe es ausgesucht, um dir Gelegenheit zu geben, deine Augen zu weiden.« Sie schnippte mit den Fingern, und Sekunden später kniete der Oberkellner höflich neben ihrem niedrigen Tisch. »Geben Sie mir die Karte«, herrschte sie ihn in Schanghaier Dialekt an.
Der Mann zog etwas aus der Tasche, was wie ein Theaterprogramm aussah. »Lassen Sie mir Ihre Taschenlampe da! Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche.«
Der Mann entfernte sich. Einer Verschwörerin gleich rückte sie noch mehr an Bartlett heran, der seinen Arm um sie legte. Sie richtete den Strahl der Taschenlampe auf das Programm. Es enthielt die Fotografien von zwanzig oder dreißig Mädchen, darunter Reihen chinesischer Schriftzeichen. »Es werden nicht alle heute abend hier sein, aber wenn du eine siehst, die dir gefällt, wird man sie herbringen.«
»Ich will keine von denen, ich will dich.«
»Ja, ich weiß, Liebster, aber … Laß mich ein kleines Spiel spielen! Laß mich die Nacht planen! Du bist der wunderbarste Mann, der mir je begegnet ist, und ich möchte, daß du eine einmalige Nacht verlebst. So sehr ich es mir wünsche, ich kann mich dir jetzt nicht schenken, und darum werden wir einen Ersatz suchen. Was hältst du davon?«
Bartlett starrte sie immer noch an. Er leerte sein Glas, und wie durch Zauberhand stand ein frisches vor ihm. Er trank es zur Hälfte aus.
Orlanda wußte, welches Risiko sie einging, aber sie war überzeugt, daß sie ihn in jedem Fall noch stärker an sich binden würde. Nahm er ihren Vorschlag an, müßte er ihr für eine aufregende Nacht dankbar sein, eine Nacht, die weder Casey oder sonst eine quai-loh -Frau sie ihm in tausend Jahren bieten konnte. Lehnte er ab, würde er ihr für ihren Großmut Dank schulden. »Wir sind in Asien, Linc. Sex ist hier kein mit Schuldgefühlen belasteter Hexensabbat. Es ist etwas Schönes, erstrebenswert wie gutes Essen oder edler Wein. Was ist einem Mann, einem richtigen Mann, eine Nacht mit einer dieser Animierschönen wert? Eine nette Erinnerung, nichts weiter. Was hat das mit Liebe zu tun? Nichts. Ich bitte dich, fühle dich nicht durch deine unsinnigen anglo-amerikanischen Moralbegriffe gebunden! Das ist Asien, und ich – ich möchte alles sein, was eine Frau für dich sein kann.«
»Ist das wirklich dein Ernst?«
»Selbstverständlich. Bei der Heiligen Jungfrau, ich möchte alles sein, was du dir von einer Frau erträumen kannst«, sagte sie. »Alles. Und ich schwöre dir, wenn ich alt bin und du mich nicht mehr begehrst, werde ich mithelfen, diesen Teil deines Lebens freundlich, genußfroh und erquickend zu gestalten. Ich würde nichts anderes verlangen, als deine taitai, ein Teil deines Lebens sein zu dürfen.« Sie küßte ihn zart. Und sah die plötzliche Veränderung in ihm. Sie sah seine ehrfurchtsvolle Scheu und seine Wehrlosigkeit und wußte, daß sie gewonnen hatte. Ihre Freude überwältigte sie beinahe.
Doch in ihrem Gesicht war nichts davon zu lesen. Sie wartete geduldig und regungslos.
»Was bedeutet taitai! « fragte er mit belegter Stimme.
Tai-tai bedeutete »Höchste der Höchsten«, Ehefrau, und nach altem chinesischen Brauch war die Frau daheim allmächtig und nahm den höchsten Rang ein. »Teil deines Lebens zu sein«, flüsterte sie, und ihr Gefühl mahnte sie nachdrücklich zur Vorsicht.
Immer noch wartete sie. Bartlett beugte sich vor, und sie fühlte seine Lippen über die ihren gleiten, aber dieser Kuß war anders, und sie begriff, daß ihre Beziehung von jetzt an auf einer anderen Ebene weitergehen würde. Sie brach den Zauber des Augenblicks. »Und nun, Mr. Bartlett«, redete sie jetzt zu ihm wie zu einem unartigen
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