Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Je länger sie bleiben, desto schwerer wird es für sie, hübsch auszusehen, und desto höher sind die Kosten. Sie muß mindestens zwanzig Prozent Zinsen zahlen. In den ersten Monaten kann sie viel verdienen, um ihre Schulden zu bezahlen, aber nie genug. Die Zinsen wachsen, und die Schulden werden immer größer. Und nicht alle Eigentümer zeigen sich geduldig, und dann muß sich das Mädchen andere Geldquellen erschließen. Es kommt der Tag, da die Mama-san sie auf einen Mann aufmerksam macht. ›Der will dich auskaufen‹, wird sie sagen, und dann …«
»Was heißt das, ein Mädchen auskaufen?«
»Ach, das ist so eine Redewendung. Alle Hostessen müssen pünktlich da sein, sagen wir um acht, wenn aufgemacht wird. Sie müssen bis ein Uhr nachts bleiben, sonst werden sie mit einer Geldstrafe belegt. Zahlen müssen sie auch, wenn sie nicht erscheinen oder zu spät kommen, nicht sauber und gepflegt aussehen oder nicht nett zu den Gästen sind. Wenn ein Mann mit einem Mädchen ausgehen will, zum Dinner oder was immer – und viele Herren wollen mit den Mädchen nur essen gehen – sie nehmen sogar zwei mit, um bei ihren Freunden Eindruck zu schinden –, kauft er das Mädchen aus, das heißt, er zahlt dem Lokal eine Vergütung. Der Betrag richtet sich nach der Zeit, die bis zur Sperrstunde bleibt. Ich weiß nicht, wieviel sie davon bekommt, ich glaube dreißig Prozent, aber was sie außerhalb des Etablissements verdient, gehört ihr, es sei denn, die Mama-san macht eine Pauschale für sie aus. Dann bekommt das Haus eine Vergütung.«
»Immer eine Vergütung?«
»Es ist eine Frage des Gesichts, Linc. In diesem Etablissement – es ist eines der besten – würde es dich etwa 80 HK, das sind 16 US-Dollar, pro Stunde kosten, ein Mädchen auszukaufen.«
Bartlett war froh, daß er sie nicht auskaufen mußte. Schrecklich wäre das. Wäre es das wirklich? Ein paar Kröten, rein ins Bett, und die Reise geht weiter. Ist es das, was ich suche?
»Hast du etwas gesagt?« fragte sie.
»Ich dachte nur, was diese Mädchen für ein scheußliches Leben führen.«
»Aber doch nicht scheußlich«, widersprach sie mit jener Herzenseinfalt, die er so unwiderstehlich fand. »Das ist wahrscheinlich die beste Zeit in ihrem Leben, sicher aber das erstemal, daß sie etwas Hübsches anzuziehen haben, daß man ihnen schmeichelt und ihre Gesellschaft sucht. Was kann denn ein Mädchen ohne viel Erziehung anfangen? Wenn sie Glück hat, findet sie eine Stellung in einem Büro, oder sie geht in eine Fabrik, zwölf bis vierzehn Stunden im Tag für 10 HK pro Tag. Du solltest dir vielleicht eine solche Fabrik einmal ansehen, die Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen, dann wirst du uns besser verstehen. Nein, diese Hostessen schätzen sich glücklich. Wenigstens für eine kurze Zeit in ihrem Dasein leben sie gut, essen sie gut – und haben viel zu lachen.«
»Keine Tränen?«
»Immer Tränen. Aber für eine Frau sind Tränen eine Lebensweise.«
»Doch nicht für dich.«
Sie seufzte und legte eine Hand auf seinen Arm. »Auch ich hatte meinen Teil zu tragen. Aber du läßt mich alle Tränen vergessen.« Schallendes Gelächter unterbrach sie. Die vier japanischen Geschäftsleute hockten mit sechs Mädchen zusammen, der Tisch war voll von Getränken. »Ich bin so froh, daß ich keine Japaner bedienen muß«, sagte sie schlicht. »Dafür segne ich meinen Joss. Aber sie sind die besten Gäste, sie konsumieren mehr als andere Touristen, und darum werden sie am aufmerksamsten bedient, obwohl man sie haßt, und sie wissen, daß sie gehaßt werden. Aber es scheint ihnen nichts auszumachen. Und ganz sicher haben sie eine andere Einstellung zu Sex und Nachtschwestern.« Wieder brüllendes Gelächter. »Die Chinesen nennen sie lang syin gou fei, wörtlich ›Wolfsherz, Hundelungen‹, das heißt Männer ohne Gewissen.«
Er runzelte die Stirn. »Das ergibt keinen Sinn.«
»O doch! Sieh mal: Die Chinesen kochen und essen alles vom Fisch, Geflügel oder anderen Tieren, ausgenommen Wolfsherzen und Hundelungen. Die kann man nicht würzen – was immer man damit macht, sie stinken. Für die Chinesen sind die japanischen Männer lang syin gou fei. Das gleiche gilt für Geld. Geld hat auch kein Gewissen.« Sie lächelte ein rätselhaftes Lächeln und nippte an ihrem Likör. »Mama-sans und Eigentümer haben angefangen, ihren Hostessen Geld vorzuschießen, damit sie Japanisch lernen. Um die Gäste zu unterhalten, muß man sich ja mit ihnen
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