Hongkong 02 - Noble House Hongkong
dagegenhämmern und einen Ruheplatz in ihrem Bett fordern wollen, das er bezahlt hatte, aber er tat es nicht. Er hatte keine Kraft mehr und wankte zum Aufzug.
Auf dem Weg nach unten begann er plötzlich zu grinsen. Der Scheck, den er ihr gegeben hatte, war nur für die Miete eines Monats. Sie hatte vergessen, daß er sich vor ein paar Wochen bereit erklärt hatte, ihr jeden Monat 500 Dollar mehr zu geben, Iiiii, kleines Leckermäulchen, kicherte er, hat das Yang das Yin schließlich doch überlistet!
»Wann wiedersehen, Paul?« fragte Lily Su.
»Bald. Nächste Woche.« Havergill kleidete sich fertig an und nahm nur widerstrebend seinen Regenmantel vom Haken. Das Apartment, in dem sie sich befanden, war klein, aber sauber und freundlich und hatte ein Badezimmer mit fließendem heißen und kalten Wasser, was das Hotel mit der heimlichen Hilfe einiger Fachleute beim Wasserwerk für teures Geld hatte installieren lassen. »Ich rufe dich an.«
»Warum traurig, Paul?«
Er drehte sich um, sah sie an. Er hatte ihr nicht gesagt, daß er Hongkong bald verlassen werde. Vom Bett aus, ihre Haut jugendfrisch und goldschimmernd, beobachtete sie ihn. Sie war jetzt schon fast vier Monate seine Freundin, nicht nur seine, denn er zahlte ihr weder die Miete noch sonstige Spesen. Sie war Hosteß in der Happy Hostess Dance Hall auf der Kowloon-Seite. Der Besitzer, Einauge Pok, war ein langjähriger und geschätzter Kunde der Bank und die Mama-san eine kluge Frau, die seine Kundschaft zu schätzen wußte. In all den Jahren hatte er schon viele Freundinnen aus der Happy Hostess Dance Hall geholt, die meisten für ein paar Stunden, einige für einen Monat, sehr wenige für länger, und nur ein einziges Mal eine schlechte Erfahrung gemacht – ein Mädchen hatte ihn erpressen wollen. Ohne Zeit zu verlieren war er zur Mama-san gegangen. Noch am gleichen Abend waren das Mädchen und ihr Zuhälter von der Bildfläche verschwunden.
»Warum traurig, heya ?«
Weil ich Hongkong bald verlassen werde, hätte er ihr sagen mögen. Weil ich dich für mich allein haben möchte, aber nicht haben kann, nicht haben darf. Du lieber Gott, wie ich dich begehre!
»Nicht traurig, Lily, nur müde«, beruhigte er sie. Seine Schwierigkeiten in der Bank waren eine zusätzliche Last.
»Alles wird gut sein«, sagte sie. »Ruf bald an, heya ?«
»Ja, ja, das werde ich.« Sie hatten ein einfaches Arrangement gehabt: einen Telefonanruf. Wenn er sie nicht direkt erreichen konnte, rief er die Mama-san an, und am gleichen Abend kam er ins Lokal, allein oder mit Freunden, tanzte ein paar Tänze mit ihr, um das Gesicht zu wahren, und dann ging sie. Eine halbe Stunde später zahlte er seine Rechnung und kam hierher. Sie suchten das Hotel nicht gemeinsam auf, denn sie wollte auf der Straße nicht in Gesellschaft eines fremden Teufels gesehen werden. Für den Ruf eines Mädchens wäre es höchst abträglich, außerhalb ihres Arbeitsplatzes allein mit einem Barbaren gesehen zu werden.
Havergill wußte das, aber es störte ihn nicht. Es gehörte zu Hongkong. » Doh jeh « , sagte er, ich danke dir. Er wäre so gern geblieben, hätte sie so gern mitgenommen.
» Doh jeh « , sagte er und ging.
Sie gähnte herzhaft, nachdem sie es in dieser Nacht schon so oft unterdrückt hatte, ließ sich auf die Kissen zurückfallen und dehnte sich wohlig. Das Bett war zerwühlt, aber noch tausendmal besser als die Pritsche in dem Zimmer, das sie in Tai-ping Shan bewohnte.
Ein leises Klopfen. »Verehrte Dame?«
»Ah Tschun?«
»Ja.« Die Tür ging auf, und die alte Frau kam herein. Sie brachte saubere Handtücher. »Wie lange wollen Sie bleiben?«
Lily Su überlegte. Üblicherweise zahlte der Kunde in diesem Hotel für die ganze Nacht. Üblich aber war auch, daß die Geschäftsleitung dem Mädchen, wenn es das Zimmer schon früher räumte, einen Teil des Zimmerpreises zurückerstattete. »Die ganze Nacht«, antwortete sie. Sie wollte den Luxus genießen, denn sie wußte nicht, wann sie wieder Gelegenheit dazu haben würde. Vielleicht wird der Freier schon nächste Woche seine Bank und alles verloren haben.
»Joss«, sagte sie, und dann: »Bitte lassen Sie mir ein Bad ein.«
Brummend tat die alte Frau, wie ihr geheißen; dann verließ sie das Zimmer. Wieder gähnte Lily Su. Es war ein aufreibender Tag gewesen. Und heute war der Freier redseliger als sonst, während sie versucht hatte zu schlafen. Sie hatte kaum zugehört und auch nur hin und wieder ein Wort verstanden. Sie wußte
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