Hongkong 02 - Noble House Hongkong
seitdem Schanghai das industrielle und geschäftliche Zentrum, der Schrittmacher Chinas war, die Draufgänger in China waren und immer sein werden. Und die Besten sind jetzt hier bei uns. Sie werden den Unterschied zwischen Kantonesen und Schanghaiern bald merken. Es gibt keinen Textil- oder Schiffahrtsmagnaten oder Industriellen, der nicht Schanghaier wäre. Von Kantonesen geführte Familienbetriebe sind Einzelfälle, aber die Schanghaier haben Verständnis für Teilhaberschaften, für Körperschaften und vor allem für Bank- und Finanzprobleme.« Gornt zündete sich eine dritte Zigarette an. »Darin liegt unsere Stärke, darum sind wir besser als Struan’s – darum werden wir früher oder später die Nummer eins sein.«
Linc Bartlett studierte den Mann, der ihm gegenübersaß. Aus dem Dossier, das Casey angelegt hatte, wußte er, daß Gornt, in Schanghai als Sohn britischer Eltern geboren, achtundvierzig Jahre alt, Witwer mit zwei erwachsenen Kindern war, und von 1942 bis 1945 als Hauptmann in der australischen Infanterie gedient hatte. Er wußte auch, daß er seit acht Jahren, als er seinem Vater nachgefolgt war, sehr erfolgreich über Rothwell-Gornt herrschte.
Bartlett rutschte in dem tiefen Ledersessel herum. »Wenn diese Rivalität mit Struan’s besteht und Sie so sicher sind, früher oder später Nummer eins zu werden, warum warten Sie dann? Warum kassieren Sie die Konkurrenz nicht gleich jetzt?«
Gornt musterte ihn, und sein Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. »Es gibt nichts in der Welt, was ich lieber täte. Aber ich kann nicht. Noch nicht. Vor drei Jahren hätte ich es fast getan – sie hatten sich übernommen, der Joss des damaligen Tai-Pan war ausgelaufen.«
»Joss?«
»Das ist ein chinesisches Wort und bedeutet Glück, Schicksal, aber noch ein bißchen mehr. Wir sind hier sehr abergläubisch. Joss ist sehr wichtig, so wie richtige zeitliche Einteilung. Damals wären sie um ein Haar zugrunde gegangen. Ich wollte ihnen den Rest geben, aber es gelang Dunross, aus der Klemme zu kommen und die Situation zu retten.«
»Wie denn?«
»Sagen wir, er übte in gewissen Bankkreisen unzulässigen Einfluß aus.« Mit kalter Wut erinnerte sich Gornt, wie Havergill in der Bank plötzlich – gegen alle ihre geheimen Absprachen – Struan’s Ansuchen um eine zeitlich begrenzte, ausgedehnte Kredithilfe – die Dunross Zeit gab, sich zu erholen – nicht abgelehnt hatte.
Gornt entsann sich seiner bleichen Rage, als er Havergill angerufen hatte. »Was, zum Teufel, haben Sie da getan?« hatte er ihn angefahren. »Hundert Millionen als außerordentlichen Kredit? Sie haben ihnen das Leben gerettet. Warum bloß?« Havergills Erklärung: Dunross hatte genügend Stimmen im Aufsichtsrat aufgeboten und ihn persönlich unter stärksten Druck gesetzt. »Ich konnte einfach nichts tun …«
»Damals ging Dunross bis zum Äußersten, Mr. Bartlett. Er machte sich einige Leute zu unversöhnlichen Feinden. Aber jetzt sind wir gleich stark. Eine Patt-Situation. Sie können uns nicht in die Knie zwingen, und wir sie nicht.«
»Außer sie machen einen Fehler.«
»Oder wir.« Gornt blies einen Rauchring zur Decke und sah ihm nach. Schließlich wanderte sein Blick zu Bartlett zurück. »Früher oder später werden wir gewinnen. In Asien messen wir die Zeit anders als Sie in den Vereinigten Staaten.«
»Das hat man mir schon gesagt.«
»Sie glauben es nicht?«
»Ich weiß, daß für das Überleben überall die gleichen Regeln gelten.«
»Wir können mehr bieten als Struan’s und wir haben die Zeit auf unserer Seite. Hier und überall«, sagte Gornt.
Bartlett lachte.
Auch Gornt lächelte, aber es entging Bartlett nicht, daß die Augen nicht daran beteiligt waren. »Sehen Sie sich in Hongkong um, Mr. Bartlett! Erkundigen Sie sich über uns und über Struan’s! Dann entscheiden Sie sich!«
»Ja, das werde ich tun.«
»Wie ich höre, wurde Ihr Flugzeug in gerichtliche Verwahrung genommen.«
»Ja. Ja, das stimmt. Die Bullen am Flughafen haben Gewehre an Bord gefunden.«
»Ich habe davon gehört. Sonderbar. Na ja, wenn Sie Hilfe brauchen, um es wieder freizubekommen, kann ich Ihnen vielleicht dienlich sein.«
»Sie könnten mir jetzt gleich helfen, indem Sie mir sagen, wer und was dahintersteckt.«
»Ich habe keine Ahnung. Es hatte nichts mit uns zu tun.«
»Wer wußte, daß wir dieses Gespräch führen würden, Mr. Gornt?«
»Sie und ich. Wie abgemacht. Hier hat es keine undichte Stelle gegeben, Mr.
Weitere Kostenlose Bücher