Hongkong 02 - Noble House Hongkong
haben wir noch zwei ›zufällige Zusammentreffen‹ für Sie. Als heute morgen Tsuyan und Noble House Tschen genannt wurden, hätten wir gern gleich ein wenig mit ihnen geplaudert, aber kurz nachdem wir die Gewehre beschlagnahmt hatten, nahm Tsuyan die Frühmaschine nach Taipeh. Eigenartig, nicht wahr?«
»Er fliegt immerzu hin und her«, sagte Dunross, von wachsender Unruhe erfüllt.
Tsuyan sollte abends zu seiner Party kommen. Es würde Aufsehen erregen, wenn er nicht erschiene.
Armstrong nickte. »Er scheint sich in letzter Minute entschlossen zu haben – keine Buchung, kein Ticket, kein Gepäck. Er hatte nur eine Aktentasche bei sich. Interessant, was?«
Dunross musterte ihn. »Sie sagten, es gäbe zwei ›zufällige Zusammentreffen‹. Was ist das zweite?«
»Wir können John Tschen nicht finden. Er ist weder daheim noch bei einer seiner Freundinnen, noch an einem der Orte, die er häufig besucht. Wir beobachten ihn und Tsuyan schon seit Monaten – seitdem wir den Hinweis vom FBI bekamen.«
»Haben Sie bei seinem Boot nachsehen lassen?« fragte Dunross und wußte schon die Antwort.
»Es liegt schon seit gestern an seinem Platz. Sein Bootsführer hat Mr. Tschen nicht gesehen. Und er war auch nicht auf dem Rennplatz. Er war nicht bei der Morgenarbeit, obwohl ihn der Trainer erwartet hatte. Er ist weg, verschwunden, wie vom Erdboden verschlungen.«
4
11.15 Uhr:
Betretenes Schweigen herrschte im Sitzungssaal.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Casey. »Die Zahlen sprechen doch für sich.«
Die vier Männer rund um den Tisch – Andrew Gavallan, Linbar Struan, Jacques deVille und Philip Tschen, alle zum Inneren Kreis gehörig – sahen sie an.
Andrew Gavallan war groß gewachsen, mager, siebenundvierzig Jahre alt. Er warf einen Blick auf den Stoß von Papieren, der vor ihm lag. Dew neh loh moh auf alle Frauen im Geschäftsleben, dachte er ärgerlich. »Vielleicht sollten wir uns mit Mr. Bartlett abstimmen«, sagte er verlegen.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich in bezug auf diese Punkte volle Vertretungsbefugnis besitze«, betonte sie und bemühte sich, geduldig zu sein. »Ich bin die Leiterin der Finanzen, geschäftsführende Vizepräsidentin von Par-Con Industries, und bevollmächtigt, mit Ihnen zu verhandeln. Das wurde Ihnen im vergangenen Monat schriftlich bestätigt.« Casey zügelte ihr Temperament. Die Konferenz war eine gehörige Schinderei.
Nach dem ersten Schock, ausgelöst durch die Tatsache, daß sie eine Frau war, die unvermeidliche und von übergroßer Höflichkeit geprägte Unbeholfenheit. Sie warteten, bis Casey Platz genommen hatte, und setzten sich erst, nachdem sie dazu aufgefordert worden waren. Sie tauschten Belanglosigkeiten aus, wollten nicht zur Sache kommen, lehnten es ab, mit ihr als beteiligter Person zu verhandeln. Ihre Frauen, meinten sie, würden entzückt sein, Einkäufe mit ihr zu machen. Als sie ihnen offenbarte, daß sie über alle Einzelheiten des geplanten Abschlusses informiert war, sperrten sie den Mund auf. Das alles war Teil einer Verhaltensweise, mit der sie normalerweise fertigzuwerden verstand. Nur heute nicht.
»Es ist wirklich ganz leicht«, hatte sie gleich am Anfang versucht, die Bedenken der vier Männer auszuräumen. »Vergessen Sie, daß ich eine Frau bin – beurteilen Sie mich nach meinen Fähigkeiten! Wir haben drei Punkte auf unserer Agenda: die Polyurethanfabriken, die Vertretung unserer Computer-Mietorganisation und schließlich die Generalvertretung unserer petrochemischen Produkte, Kunstdünger, Arzneimittel und Sportartikel für ganz Asien. Lassen Sie uns zunächst über die Polyurethanfabriken reden, über den Bedarf an chemischem Gemisch und über den Vorentwurf einer Zeitplanung für die Finanzierung.« Sie war sofort mit Diagrammen und Dokumentationen zur Hand und faßte rasch und anschaulich alle Fakten, Zahlen und Prozentsätze, Bankspesen und Zinsbelastungen zusammen, so daß auch der Begriffsstutzigste das Projekt begreifen konnte. Jetzt saßen sie da und starrten sie an. Andrew Gavallan brach das Schweigen. »Das … das ist sehr eindrucksvoll.«
»Möchten Sie etwas Kaffee?« erkundigte sich Linbar Struan.
»Nein, danke, Mr. Struan«, sagte Casey, immer darauf bedacht, sich ihrer Umgebung anzupassen und die Herren nicht zu früh mit ihrem Vornamen anzusprechen.
»Wollen wir uns mit diesem Vorschlag beschäftigen? Es ist der, den wir Ihnen im vergangenen Monat geschickt haben … Ich habe mich bemüht, nicht nur unsere,
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