Hongkong 02 - Noble House Hongkong
den Augen. »Ich war es nicht, das schwö…«
»Das weiß ich! Beeil dich, verdammt noch mal!«
Philip Tschen gestand – fast – alles: wie er den Schlüssel seines Sohnes an sich genommen, seines Sohnes Schließfach geöffnet und sowohl den zweiten Schlüssel wie auch die Briefe von und an Bartlett gefunden hatte; wie am Abend der Feier im Hause des Tai-Pan plötzlich eine Ahnung in ihm aufgestiegen, wie er nach Hause geeilt war, wie er den im Garten verborgenen Safe ausgegraben und das Fehlen der Münze festgestellt hatte. Er erzählte dem Tai-Pan sogar, wie Dianne, als der Werwolf anrief, ihm geraten hatte, von seinem Vetter Vierfinger Wu Hilfe zu erbitten.
Dunross stockte der Atem, aber Philip Tschen merkte es nicht. In Tränen aufgelöst, babbelte er weiter, offenbarte, wie er die Polizei belogen und den jungen Werwölfen das Lösegeld ausgehändigt hatte und daß er sie nie wiedererkennen würde; wie Vierfingers Straßenkämpfer, die ihn hätten bewachen sollen, weder die Werwölfe gefangen, noch John gefunden noch das Geld zurückgebracht hatten. »Das ist die ganze Wahrheit, Tai-Pan«, wimmerte er. »Das ist alles. Alles bis auf heute früh und die Leiche meines armen Sohnes in Sha Tin …«
Dunross bemühte sich, seine Gedanken zusammenzunehmen. Er hatte nicht gewußt, daß Vierfinger Philips Vetter war, und fand auch keine Erklärung dafür, wie sich der alte Seemann in den Besitz der Münze gebracht hatte – außer er war der Anführer der Werwölfe oder im Bund mit ihnen oder im Bund mit John, der die Entführung nur vorgetäuscht hatte … Und dann waren Vierfinger und John aneinandergeraten oder … oder was? »Woher wußte John unsere Geheimnisse, die er an Bartlett weitergab – woher kannte er die Kapital- und Konzernstruktur? Hm?«
»Ich weiß es nicht«, log der alte Mann.
»Du mußt John informiert haben. Nur du, Alastair, mein Vater, Sir Ross und ich kennen die Struktur!«
»Ich habe ihm nichts gesagt – ich schwöre, daß ich ihm nichts gesagt habe.«
Wieder wallte Wut in Dunross auf, und abermals beherrschte er sich. Denke logisch, ermahnte er sich. Philip ist mehr Chinese als Eurasier. Behandle ihn als Chinesen! Wo ist das Bindeglied? Wo ist der fehlende Teil des Puzzles? Während er versuchte, das Problem zu lösen, bohrten sich seine Augen in die des Compradors. Er wartete, denn er wußte, daß Schweigen eine scharfe Waffe ist. Wo war die Lösung? Nie würde Philip John etwas so Geheimes anvertrauen …
»Herr Jesus!« stieß er hervor. »Du hast über alles Buch geführt! Private Unterlagen gesammelt! So hat John es erfahren! Aus deinem Safe! Stimmt’s?«
Wie gelähmt von der jäh aufbrausenden Wut des Tai-Pan, platzte Philip mit der Wahrheit heraus. »Ja … ja … ich mußte mich verpflichten …«
»Mußte? Wieso? Warum?«
»Weil mein Vater … bevor er … mir das Haus und die Münze vermachte, mich schwören ließ, die Unterlagen … über die privaten Geschäfte von Noble House … aufzubewahren … um das Haus Tschen zu schützen. Das allein war der Grund, Tai-Pan. Nur zum Schutz …«
Dunross starrte ihn an, haßte John Tschen, weil er Struan’s für Geld verraten hatte, und haßte zum erstenmal in seinem Leben seinen Mentor Tschen-tschen. Doch dann entsann er sich einer Belehrung Tschen-tschens, als er vor Zorn geweint hatte über die unfaire Behandlung, die sein Vater und Alastair ihm zuteil werden ließen:
»Ärgere dich nie über einen Menschen, Ian, mein Junge! Rechne mit ihm ab! Das habe ich auch seinerzeit Culum und Hag gesagt. Culum hat mir nicht zugehört – aber die ›Hexe‹ schon.« An diesen Leitsatz halten sich zivilisierte Menschen.
»Also kennt Bartlett unsere Struktur, unsere Bilanzen. Was weiß er noch?«
Philip Tschen zitterte und starrte ihn mit leeren Augen an.
»Denk nach, Philip, verdammt noch mal! Wir alle sind von Gespenstern der Vergangenheit umgeben! Du, die ›Hexe‹, Tschen-tschen, Shiteh Ttschung, Dianne … worüber gibt es noch Unterlagen, die John weitergegeben haben könnte?« Ihm wurde übel bei dem Gedanken an eine mögliche Verbindung zwischen Banastasio, Bartlett, Par-Con, der Mafia und den Gewehren. Du lieber Himmel, wenn unsere Geheimnisse in die falschen Hände kommen! »Nun?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht … was hat Bartlett verlangt? Für die Münze? Sie gehört mir, mir allein!«
Dunross sah, wie Philips Hände zitterten, und die plötzliche Blässe in seinem Gesicht. Er holte Brandy
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