Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Landeklappen, aber noch bevor sie ganz unten waren, stürmte die Menge, Casey mitreißend, von Bord. Einige Meter weiter begann der Druck nachzulassen, und sie schritt, ohne sich zu beeilen, die Rampe hinauf. Rosemont holte sie ein. »Logieren Sie im V and A?«
»Ja«, antwortete sie. »Und Sie?«
»O nein! Wir haben eine Wohnung auf der Hongkong-Seite – sie gehört dem Konsulat.«
»Sind Sie schon lange hier?«
»Zwei Jahre. Und das ist interessant, Miss Tcholok: Nachdem man einen Monat hier gelebt hat, kommt man sich eingesperrt vor, man weiß nicht, wohin man gehen soll, die Menschenmassen deprimieren einen, und man sieht Tag für Tag dieselben Freunde. Doch dann ändert sich das, und man findet es herrlich. Man bekommt das Gefühl, sich im Mittelpunkt des Geschehens zu befinden. Keine Frage, Hongkong ist das Zentrum Asiens – und man ist so schnell in Taipeh, Bangkok oder sonst wo. Hongkong ist okay – wenn auch mit Japan nicht zu vergleichen, Japan ist wieder etwas anderes.«
»So toll?«
»So toll – für einen Mann. Hart für Frauen, sehr hart, und auch für Kinder. Man bekommt seine Hilflosigkeit, seine Fremdheit ständig unter die Nase gerieben – man kann nicht einmal die Straßenschilder lesen, ich war zwei Jahre da. Mir hat’s gut gefallen. Athena, meine Frau, hat die Stadt hassen gelernt.« Rosemont lachte. »Aber sie haßt auch Hongkong und möchte zurück nach Indochina, Vietnam oder Kambodscha. Vor einigen Jahren war sie Krankenschwester bei der französischen Armee.«
»Ist sie Französin?«
»Amerikanerin.«
»Haben Sie Kinder?« fragte sie.
»Zwei. Zwei Söhne. Ich bin Athenas zweiter Mann.«
»Und die Söhne sind aus ihrer ersten Ehe?«
»Einer. Sie war mit einem Vietnamesen verheiratet. Er fiel kurz vor Dien Bien Phu – das war, als die Franzosen dort regierten. Vien war noch nicht geboren, als der arme Kerl ins Gras beißen mußte. Der Junge ist mir genauso lieb wie mein eigener Sohn. Bleiben Sie lange?«
»Hängt von meinem Boss ab und von unserem Deal. Sie wissen ja wohl, daß wir die Absicht haben, eine Geschäftsverbindung mit Struan’s aufzunehmen.«
»Es ist das Stadtgespräch – wenn man vom Feuer in Aberdeen, der Überschwemmung und den Erdrutschen, dem Sturm auf die Banken und dem Börsenkrach absieht. Was glauben Sie – wird er es schaffen?«
»Der Tai-Pan? Ich komme gerade von ihm. Er ist zuversichtlich, ja, sehr zuversichtlich. Ich kann ihn gut leiden.«
»Ja. Ich kann auch Mr. Bartlett gut leiden. Sind Sie schon lange mit ihm zusammen?«
»Fast sieben Jahre.«
Sie hatten die Station hinter sich gelassen, aber das Gedränge war immer noch lebensgefährlich. Sie gingen auf eine unterirdische Fußgängerpassage zu, die direkt zum V and A führte. Rosemont deutete auf ein kleines Geschäft, das sich Reisschüssel nannte. »Von Zeit zu Zeit arbeitet Athena hier. Es ist ein amerikanischer Wohltätigkeitsladen. Der Gewinn fließt Flüchtlingen zu. Viele Frauen arbeiten gelegentlich mit; so haben sie wenigstens eine Beschäftigung. Sie sind vermutlich immer beschäftigt?«
»Nur sieben Tage in der Woche.«
»Ich hörte Mr. Bartlett sagen, Sie fliegen über das Wochenende nach Taipeh. Wird das Ihr erster Besuch sein?«
»Ja – aber ich fliege nicht. Nur Mr. Bartlett und der Tai-Pan.« Casey versuchte den Gedanken, der sie überfiel, loszuwerden, aber das gelang ihr nicht. Wird er Orlanda mitnehmen? Er hat recht, es geht mich nichts an. Aber Par-Con schon. Und da Linc sich dem Feind restlos ausgeliefert hat … Je weniger er von dem Manöver mit der First Central weiß, desto besser.
Zufrieden, daß sie leidenschaftslos zu diesem Schluß kam, plauderte sie weiter mit Rosemont, froh, daß sie mit einem ihr gutgesinnten Menschen schwatzen konnte, der sich als mitteilsam und interessiert erwies. »… in Taipeh«, erzählte er. »In Taiwan sind wir jetzt beliebt – mal was anderes. Sie wollen sich also nach Asien ausdehnen. Bei einem so großen Abschluß stehen wohl ein Dutzend Direktoren auf Abruf bereit?«
»Nein. Für den Augenblick sind wir nur zwei. Bloß Mr. Forrester ist noch da – er ist der Leiter unserer Schaumstoffproduktion – und unser Anwalt. Mr. Bartlett hat Par-Con gut organisiert. Ich kümmere mich um das laufende Geschäft, und er bestimmt den Kurs.«
»Ist Par-Con eine AG?«
»Ja, aber das tut nicht weh. Mr. Bartlett hat die Aktienmehrheit, und unsere Direktoren und Aktionäre machen uns keine Schwierigkeiten. Die
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