Hongkong 02 - Noble House Hongkong
öffnete eine Plastiktasche, die er mitgebracht hatte. »Es ist ein alter amerikanischer Brauch, ein Geschenk mitzubringen, wenn man zum erstenmal zu Besuch kommt.« Er stellte die Flasche auf den Tisch.
»Das ist aber sehr freundlich von …« Gornt brach ab. Vorsichtig hob er die Flasche auf und betrachtete sie im Licht des Kompaßhauses. »Das ist kein Geschenk, Mr. Bartlett, das ist auf Flaschen gezogener Zauber. Ich traue meinen Augen nicht.« Es war ein Château Margaux, einer der großen premiers crus classés aus dem Médoc.
»Einen 49er hatte ich nie. Das war ein Traumjahr für Bordeauxweine. Danke! Ich danke Ihnen sehr herzlich.«
»Orlanda hat gesagt, Sie haben Rotwein lieber als weißen, aber ich dachte, es könnte vielleicht Fisch geben.« Nonchalant stellte er die zweite Flasche neben die erste.
Gornt starrte sie an. Es war ein Château Laville-Haut-Brion. In guten Jahren ließ sich der rote Château Haut-Brion mit allen großen Bordeauxweinen aus dem Médoc vergleichen, aber der weiße Château Laville-Haut-Brion – trocken, zart und wenig bekannt, weil so selten – wurde als einer der edelsten von den Bordeaux-Weißweinen angesehen. Es war ein Jahrgang 1955.
Gornt seufzte. »Wenn Sie soviel von Weinen verstehen, Mr. Bartlett, wie kommt es dann, daß Sie Bier trinken?«
»Zu pasta trinke ich gern Bier, Mr. Gornt – und so zwischendurch. Aber zum Essen Wein.« Bartlett lachte. »Nächsten Dienstag gibt es Bier mit pasta, dann Frascati oder Verdicchio oder den umbrischen Cásale mit … womit?«
» Piccata? «
»Wunderbar«, stimmte Bartlett zu und wollte doch keine piccata, die nicht von Orlanda zubereitet gewesen wäre. »Das ist sozusagen meine Lieblingsspeise.« Er sah sie nicht an, aber er wußte, daß sie wußte, was er meinte. Ich bin froh, daß ich sie getestet habe.
»War es nett?« hatte sie ihn gefragt, als sie heute morgen in das kleine Hotel in der Sunning Road gekommen war, um ihn abzuholen. »Ich hoffe es so sehr, Linc, Liebster.«
Das Mädchen war schön gewesen, aber er hatte nur seine fleischliche Lust gestillt und keine Befriedigung in ihrer Vereinigung gefunden. Er hatte es Orlanda gestanden.
»Das ist dann meine Schuld. Wir haben die Falsche ausgesucht«, hatte sie traurig gesagt. »Heute abend werden wir es woanders versuchen.«
Unwillkürlich lächelte er und sah sie an. Die Seebrise machte sie noch schöner. Dann bemerkte er, daß Gornt sie beobachtete. »Gibt es heute abend Fisch?«
»Aber ja! Hast du Mr. Bartlett nichts von Pok Liu Tschau erzählt, Orlanda?«
»Nein, Quillan, nur daß wir zu einer Spazierfahrt eingeladen sind.«
»Gut. Es wird kein Bankett sein, aber die Fisch- und Muschelgerichte sind dort exzellent, Mr. Bartlett. Sie …«
»Warum nennen Sie mich nicht Linc, und ich nenne Sie Quillan? Von dem vielen ›Mister‹ bekomme ich Magenschmerzen.« Alle lachten.
»Wenn Sie gestatten, Linc, werden wir Ihre Geschenke heute nicht öffnen. Wenn ich darf, möchte ich sie für unser Dinner kommenden Dienstag aufheben?«
»Selbstverständlich.«
In dem gedämpften Donner der Dieselmotoren trat eine kleine Stille ein. Sofort spürte Orlanda, daß Gornt mit Bartlett unter vier Augen sprechen wollte. Mit einem Lächeln erhob sie sich. »Wenn mich die Herren entschuldigen wollen?«
Die beiden Männer folgten ihr mit den Blicken. Bartlett nippte an seinem Wein.
»Wie viele Personen können Sie hier zum Schlafen unterbringen?« fragte er Gornt.
»Zehn bequem. Dazu die Crew: Kapitän, Maschinist, Koch, Steward und einen Matrosen. Später zeige ich Ihnen alles, wenn Sie wollen.« Gornt zündete sich eine Zigarette an. »Sie rauchen nicht?«
»Nein, danke!«
»Wir können eine ganze Woche kreuzen, ohne aufzutanken, wenn es nötig ist. Es bleibt dabei, daß wir Dienstag abschließen?«
»Dienstag ist immer noch D-Tag.«
»Haben Sie Ihre Meinung geändert in bezug auf Struan’s?«
»Montag fällt die Entscheidung. Montag um drei Uhr nachmittags. Nach Börsenschluß haben Sie Dunross erledigt – oder nicht. Und dann haben wir wieder eine Pattsituation.«
»Diesmal gibt es kein Patt. Er ist ruiniert.«
»Sieht ganz so aus.«
»Wollen Sie immer noch mit ihm nach Taipeh fliegen?«
»So ist es geplant.«
Gornt erhob sich und blieb kurz neben dem Kapitän stehen, aber auch der hatte die kleine unbeleuchtete Dschunke gesehen und wich ihr gefahrlos aus. »Volle Kraft voraus«, sagte Gornt und kam zum Tisch zurück. Er schenkte nach, nahm eines der
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