Hongkong 02 - Noble House Hongkong
»Danke.«
»Das rechtfertigt immer noch nicht Ihr sinnloses, ungesetzliches Eindringen in die Wohnung«, bemerkte Crosse kalt.
»Ich habe mich doch schon entschuldigt, oder?« brauste Rosemont auf. »Wir machen alle Fehler. Siehe Philby, Burgess und MacLean! In London ist man ja so gescheit. Wir haben einen heißen Tip bekommen, daß es da auch noch einen vierten Mann gibt – er ist noch höher oben und lacht sich über euch den Buckel voll.«
Crosse und Sinders sahen sich bestürzt an. »Wer?«
»Wenn ich das wüßte, hätten wir ihn schon. Philby hat so viel von unserem Zeug mitgenommen, daß es uns Millionen gekostet hat, umzugruppieren und neu zu chiffrieren. Wir machen alle Fehler, und die einzige Sünde ist der Mißerfolg, stimmt’s? Wenn wir gestern nacht die beiden feindlichen Agenten erwischt hätten, könnten Sie sich vor Freude gar nicht fassen. Leider sind sie uns entkommen. Ich sagte schon, daß es mir leid tut. Nächstes Mal werde ich fragen. Okay?«
»Was haben Sie über diesen vierten Mann sonst noch gehört?« fragte Sinders. Er war blaß, und seine Bartstoppeln ließen ihn noch ungepflegter erscheinen, als er war.
»Vorigen Monat haben wir in den Staaten wieder einen kommunistischen Spionagering ausgehoben. Diese Scheißkerle vermehren sich wie die Küchenschaben. Die Zelle bestand aus vier Leuten, zwei in New York, zwei in Washington. Der Kerl in New York hieß Iwan Egorow und war Beamter im UN-Sekretariat.« Rosemonts Stimme wurde bitter. »Mein Gott, wann wird man bei uns endlich erkennen, daß die ganze UN von Agenten durchsetzt ist – die beste Waffe der Sowjets, seitdem sie uns die Bombe gestohlen haben. Egorow und seine Frau Alexandra betrieben Industriespionage – Computer. Die Typen in Washington hatten sich beide amerikanische Namen von Toten zugelegt: von einem katholischen Priester und einer Frau in Connecticut. Die vier Verbrecher arbeiteten mit einem Kerl von der Sowjetbotschaft zusammen, einem Attaché, der als ihr Instrukteur fungierte. Wir schnappten ihn, als er versuchte, einen von unseren CIA-Männern anzuwerben. Na ja. Aber bevor wir ihn aufforderten, das Land zu verlassen, machten wir ihm die Hölle so heiß, daß er die vier verpfiff. Und einer von denen gab uns den Hinweis, daß Philby nicht die Hauptperson war, daß es einen vierten Mann gab.«
Sinders hustete und zündete sich eine Zigarette an. »Was genau hat er gesagt?«
»Nur, daß Philbys Zelle aus vier Personen bestand. Der vierte sei der gewesen, der die anderen angeworben hat. Er war der Chef und Verbindungsmann zu den Russen.«
Sinders starrte ihn an und verfiel wieder in Schweigen. Crosse bog in die Sinclair Road ein, ließ Sinders aussteigen und fuhr zum Konsulat weiter, das sich unweit des Government House befand. Rosemont holte eine Kopie der Fingerabdrücke und führte Crosse dann in sein Büro. Das Büro war geräumig und reichlich mit Alkoholika ausgestattet. »Scotch?«
»Wodka mit einem Spritzer Zitronensaft«, sagte Crosse und beäugte die AMG-Akte, die Rosemont achtlos auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.
»Zum Wohl!« Sie stießen an. Rosemont nahm einen kräftigen Schluck. »Was bedrückt Sie, Rog? Sie kommen mir schon den ganzen Tag vor wie eine Katze auf dem heißen Blechdach.«
Crosse deutete auf die Akten. »Die gehen mir im Kopf herum. Ich will diesen Maulwurf fangen. Ich will Sevrin zerschlagen.«
Rosemont runzelte die Stirn. »Okay«, sagte er nach einer Pause. »Mal sehen, was wir da haben.«
Er griff nach der ersten Akte, legte die Füße auf den Schreibtisch und begann zu lesen. Er brauchte nur wenige Minuten und gab sie dann an Crosse weiter, der ebenso schnell las. Rasch gingen sie den ganzen Stoß durch.
»Zu viel, um jetzt alles zu bereden«, murmelte Rosemont.
Crosse glaubte einen Unterton aus Rosemonts Worten herauszuhören, und fragte sich, ob der Amerikaner ihn auf die Probe stellen wollte. »Eines sticht ins Auge«, bemerkte er und beobachtete ihn dabei. »Diese Berichte lassen sich in der Qualität nicht mit dem vergleichen, den wir abgefangen haben.«
Rosemont nickte. »Das ist auch mein Eindruck.«
»Sie sind mir zu dünn. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Es ist weder von Sevrin noch vom Maulwurf die Rede.« Crosse trank seinen Wodka aus. »Ich bin enttäuscht.«
Rosemont brach das Schweigen. »Also war der eine Bericht eine einmalige Sache und anders … redigiert, oder die hier wurden gefälscht. Womit wir wieder bei Dunross wären. Wenn diese hier
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