Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Bartlett.«
»Ich wußte gar nichts davon, bis Orlanda es mir vor einer halben Stunde sagte. He, das ist ja ein herrliches Boot!«
Vorsichtig steuerte Gornt achteraus. »Bis vor einer Stunde wußte ich selbst nicht, daß Sie beide zusammen zu Abend essen wollten. Ich nahm an, daß Sie den Hafen von Hongkong noch nie bei Nacht gesehen haben, und da dachte ich mir, ich könnte Ihnen etwas Neues bieten. Es gibt da ein paar Dinge, die ich privat mit Ihnen besprechen wollte, und darum fragte ich Orlanda, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich Sie an Bord bitten würde.«
»Ich hoffe, es hat Ihnen nichts ausgemacht, nach Kowloon herüberzukommen.«
»Überhaupt nicht, Mr. Bartlett. Es ist üblich, Gäste von hier abzuholen.« Gornt lächelte in sich hinein, als er an Orlanda und all die anderen Gäste dachte, die er im Lauf der Jahre hier abgeholt hatte. Geschickt ließ Gornt den Motorkreuzer rückwärts laufen, weg von dem Pier, wo die Wellen gefährlich gegen die Mole schlugen.
Er legte den Schalthebel auf halbe Kraft voraus und schwang die Ruderpinne nach Steuerbord, um auf die Wasserstraße zu gelangen; dann schlug er einen westlichen Kurs ein.
Der Motorkreuzer war siebzig Fuß lang, schnittig und elegant. Sie standen auf dem mit Glaswänden versehenen, nach achtern offenen Brückendeck unter straff gespannten Sonnensegeln. Gornt trug eine leichte Seemannsjacke und eine flotte Seglermütze mit dem Emblem des Jachtklubs. Seine Garderobe und sein gestutzter, graumelierter Bart kleideten ihn gut.
Bartlett, sportlich salopp in Pullover und leichten Segeltuchschuhen, beobachtete ihn. Orlanda stand neben ihm, und obwohl sie einander nicht berührten, fühlte er ihre Nähe. Sie trug einen dunklen Hosenanzug und einen Schal gegen die Kühle der Nacht.
Er blickte nach achtern über den Hafen auf die Fähren, Dschunken, Frachter und auf die riesige Masse des atombetriebenen Flugzeugträgers mit seinen angestrahlten Decks und der flatternden Flagge. Donnernd stieg eine Düsenmaschine von Kai Tak in den Nachthimmel auf.
Orlanda berührte ihn leicht, und er sah sie an. Sie erwiderte sein Lächeln, und er fühlte ihre Wärme.
»Herrlich, nicht wahr?«
»Ja, herrlich«, sagte Gornt. Er dachte, Bartlett hätte zu ihm gesprochen. Er ließ seine Blicke in die Ferne schweifen. »Es ist wunderbar, nachts auf dem Wasser Herr seines eigenen Schiffes zu sein. Wir fahren ein Stück nach Westen und dann nach Süden, rund um Hongkong herum – es wird etwa eine Dreiviertelstunde dauern.« Er winkte seinen Kapitän heran, einen schweigsamen, geschmeidigen Schanghaier in sauberer weißer Leinenkleidung.
» Shey-shey « , danke, sagte der Mann und übernahm das Steuer.
Gornt deutete nach achtern, wo Stühle um einen Tisch standen. »Wollen wir?« Er warf einen Blick auf Orlanda. »Du siehst sehr hübsch aus, Orlanda.«
»Danke.«
»Ist dir auch nicht zu kalt?«
»O nein, Quillan, danke!«
Ein livrierter Steward kam von unten. Auf einem Tablett brachte er heiße und kalte Appetitbrötchen. In einem großen Eisbehälter neben dem Tisch befanden sich eine offene Flasche Weißwein, vier Gläser, zwei Dosen amerikanisches Bier und alkoholfreie Getränke. »Was kann ich Ihnen anbieten, Mr. Bartlett?« fragte Gornt. »Der Wein ist ein Frascati, aber wie ich höre, ziehen Sie eiskaltes Bier aus der Dose vor.«
»Heute abend Frascati – das Bier später, wenn ich darf.«
»Orlanda?«
»Wein, bitte, Quillan«, antwortete sie, denn sie wußte, daß er Frascati jedem anderen Wein vorzog. Heute abend muß ich sehr klug sein, dachte sie, sehr stark und sehr klug. Sie hatte Gornts Vorschlag sofort angenommen, denn auch sie liebte die Nacht auf dem Wasser, und sie fuhren zu ihrem Lieblingslokal, obwohl sie lieber mit Bartlett allein gewesen wäre. Aber es war unzweifelhaft ein … nein, verbesserte sie sich, es war kein Befehl, es war ein Ersuchen. Quillan ist auf meiner Seite. Er und ich, wir haben beide das gleiche Ziel: Linc. Wie gerne bin ich doch mit Linc zusammen! Als sie ihn ansah, bemerkte sie, daß er Gornt beobachtete. Ihr Puls wurde schneller.
Es war wie damals, als Gornt sie nach Spanien mitgenommen und sie ein mano a mano miterlebt hatte. Ja, diese beiden Männer sind heute abend wie Matadore. Ich weiß, daß Gornt mich immer noch begehrt, da kann er sagen, was er will.
Die Beleuchtung an Deck war warm und heimelig. Der Steward schenkte die Gläser voll, und der Wein war wie immer sehr gut, trocken und verlockend. Bartlett
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