Hongkong 02 - Noble House Hongkong
ich nur stehengeblieben? Ach ja. 1.000 setze ich nächsten Sonnabend auf die Doppelwette. Und von meinem Gewinn kaufe ich mir … kaufe ich mir falsche Zähne, Iiiiii, wie herrlich wird das sein! hätte sie herausschreien mögen. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, als im Verlauf einer der ständigen Revolten gegen die fremde Tsching-Dynastie der Gewehrkolben eines Mandschu ihr die Zähne ausgeschlagen hatte, war sie den Spitznamen Einzahn nicht mehr losgeworden. Sie hatte ihn immer gehaßt. Aber jetzt …
»Mir ist nicht gut, Jüngere Schwester«, sagte sie, vor Glückseligkeit wirklich einer Ohnmacht nahe. »Könntest du mir ein Glas Wasser holen?«
Murrend entfernte sich ihre Freundin. Einzahn Yang setzte sich für einen Augenblick nieder und gestattete sich ein befreiendes Grinsen. Sie fuhr sich mit der Zunge über das Zahnfleisch, Iiiiii, wenn ich genug gewonnen habe, lasse ich mir einen Goldzahn hier in die Mitte setzen, zur Erinnerung! Goldzahn Yang, dachte sie, das klingt gut, jawohl, die Ehrenwerte Goldzahn Yang von der Yang-Baugesellschaft …
7
18.15 Uhr:
Suslew hockte unbequem auf dem Vordersitz des kleinen Wagens von Ernie Clinker, mit dem sie sich den Berg hinaufquälten. Die Fenster waren beschlagen, und es regnete immer stärker. Von den steilen Hängen wurde Schlamm und Geröll auf die Straße heruntergeschwemmt. Sie waren schon an zwei leichten Unfällen vorbeigekommen.
»Vielleicht solltest du die Nacht lieber bei mir verbringen, alter Freund«, meinte Clinker.
»Das geht nicht«, gab Suslew gereizt zurück. »Ich sagte dir schon: Ich habe es Ginny versprochen, und heute ist meine letzte Nacht.« Seit der Razzia schäumte Suslew vor Wut, angefacht von einem ungewohnten Gefühl der Angst – Angst vor dem, was ihn morgen im Polizeipräsidium erwartete, Angst vor katastrophalen Auswirkungen des von Armstrong aufgelesenen dechiffrierten Telegramms. Angst vor dem vermutlichen Mißfallen der Zentrale über den Verlust Woranskis, Angst vor einer möglichen Aufforderung, Hongkong zu verlassen, Angst vor den Folgen der Zerstörung ihrer Funkgeräte und Angst vor der Metkin-Affäre. Dazu kam jetzt auch noch das erwartete Eintreffen Koronskis und die mögliche Entführung Dunross’. Zuviel ist auf dieser Fahrt schiefgegangen, dachte er. Auch das Telefongespräch mit Crosse während des fünften Rennens hatte ihn nicht beruhigen können.
»Keine Bange, Gregor, deine Vorladung ist eine reine Routinesache. Nur ein paar Fragen über Woranski, Metkin und so weiter«, hatte Crosse ihn mit verstellter Stimme beruhigt.
» Kristos, was ist das für ein ›und so weiter‹?«
»Ich weiß es nicht. Sinders hat es angeordnet, nicht ich. Und hör mal, das mit der Entführung, das ist keine gute Idee!«
»Zentrale will es so haben, also sei bitte so freundlich und hilf Arthur, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, ja? Wenn es dir nicht gelingt, meine Abreise hinauszuschieben, werden wir ihn kidnappen, sobald wir den Befehl dazu erhalten.«
»Ich bin dagegen. Das ist hier mein Bezirk.« Suslew hätte Roger Crosse auffordern wollen, den Mund zu halten, weil es ihm sonst schlecht ergehen würde, aber er war darauf bedacht, ihren besten Mann in Asien nicht zu vergrämen. »Können wir uns heute abend sehen?«
»Nein, aber ich rufe dich an. Was hältst du von vier? Um halb elf?« Vier war das neue Codewort für Sinclair Towers 32, 10 Uhr 30 hieß 21 Uhr 30.
»Ist das klug?«
Er hatte das bekannte trockene, von Selbstsicherheit zeugende Lachen gehört. »Sehr klug. Glaubst du, diese Tölpel würden noch einmal kommen? Natürlich ist es klug. Und ich garantiere dir, daß nichts passiert!«
»Na schön. Arthur wird auch da sein. Wir sollten den Plan konkretisieren.«
Clinker brach jäh seitlich aus, um nicht mit einem Taxi zusammenzustoßen, ließ fluchend die Kupplung schleifen, starrte durch die Windschutzscheibe und legte wieder den Gang ein. »Scheißwetter«, knurrte Suslew, mit seinen Gedanken weit fort. Wie sieht es jetzt mit Travkin aus? Dieser mutterlose Idiot! Geht durchs Ziel und stürzt! Ich dachte, er hätte gewonnen. Dekadenter Armleuchter! Keinem echten Kosaken wäre das passiert!
Wie bekommen wir Dunross schon morgen in das Apartment, nicht erst Dienstag, wie er mit Travkin ausgemacht hat? Es muß spätestens morgen abend passieren.
Arthur muß das arrangieren oder Roger.
Ich muß diese Berichte haben – oder Dunross –, bevor ich Hongkong verlasse. Das eine oder das andere ist mein
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