Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Gavallan.
»Ursprünglich Armenisch.«
»Kamahli-an Sirrrannuuuussssch«, wiederholte Jacques, dem die Zischlaute gefielen. » Très joli , mademoiselle . Ce n’est pas difficile sauf pour les crétins . «
» Ou les Anglais « , warf Dunross ein, und alle lachten.
»Woher wußten Sie es, Tai-Pan?« fragte Casey. Tai-Pan sagte ihr mehr zu als Ian.
Für Ian ist es noch zu früh, dachte sie, noch im Bann seiner Vorgeschichte.
»Ich habe Ihren Anwalt gefragt.«
»Meinen Anwalt?«
»John Tschen rief mich gestern gegen Mitternacht an. Sie hatten ihm nicht verraten, wofür K.C. steht, und ich wollte es wissen. Es war zu früh, um mit Ihrem Büro in Los Angeles zu sprechen – in Los Angeles war es acht Uhr morgens – und so rief ich eben Ihren Anwalt in New York an.«
»Sie haben Seymour Steigler III an einem Sonnabend ans Telefon bekommen?« fragte Bartlett fassungslos.
»Ja. In seinem Haus in White Plains.«
»Aber seine Nummer steht doch nicht im Telefonbuch.«
»Ich weiß. Ich rief einen chinesischen Freund in den Vereinten Nationen an, und er fand die Nummer für mich. Ich sagte Mr. Steigler, daß ich es wegen der Einladung wissen wolle – was ja der Wahrheit entspricht. Man sollte doch immer aufrichtig sein, nicht wahr?«
»Ja«, stimmte Casey ihm zu und bewunderte ihn. »Ja, das sollte man.«
»Wußtest du schon gestern abend, daß Casey … daß Casey eine Frau ist?« fragte Gavallan.
»Ja. Das wußte ich schon seit einigen Monaten, aber nicht, wofür K.C. stand. Warum fragst du?«
»Nur so, Tai-Pan. Ein armenischer Name, Casey? Ist Ihre Familie in die Vereinigten Staaten eingewandert?«
»Nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1918«, begann Casey die schon so oft erzählte Geschichte. »Ursprünglich hießen wir Tcholokian. Als meine Großeltern nach New York kamen, ließen sie der Einfachheit halber und den Amerikanern zuliebe das ian weg. Aber meine Vornamen behielt ich. Wie Sie wissen, war Armenien ein freies, unabhängiges Land; heute gehört es zum Teil zur Türkei, zum Teil zu Sowjetrußland. Meine Großmutter war Georgierin – in früheren Zeiten gab es viele Mischehen. Unser Volk war über das ganze Ottomanische Reich verbreitet, aber die Massaker der Jahre 1915 und 1916 …« Casey fröstelte. »Es war Völkermord. Knapp 500.000 sind von uns noch übrig, und wir sind über die ganze Welt verstreut. Die Armenier waren Händler, Künstler, Maler, Goldschmiede, Dichter und auch Krieger.
An die 50.000 Armenier dienten in der türkischen Armee, bevor sie im Ersten Weltkrieg von den Türken entwaffnet, vertrieben oder erschossen wurden – Generäle, Offiziere und einfache Soldaten. Sie waren eine Eliteminderheit – seit Jahrhunderten.«
»War das der Grund, warum die Türken sie haßten?« fragte deVille.
»Sie waren fleißige, stammverbundene Menschen und zweifellos gute Händler und Geschäftsleute. Aber der Hauptgrund war wohl, daß die Armenier Christen sind und die Türken Mohammedaner. Im 16. Jahrhundert eroberten die Türken den Hauptteil des Landes, und immer wieder gab es kriegerische Auseinandersetzungen zwischen dem christlichen zaristischen Rußland und den ›ungläubigen‹ Türken. Bis 1917 war das Rußland des Zaren unsere eigentliche Schutzmacht … die Türken waren immer ein sonderbares Volk, grausam und fremdartig.«
»Konnte sich Ihre Familie rechtzeitig retten?«
»Nur ein Teil. Meine Großeltern waren sehr reich, und wie so viele glaubten auch sie, es könne ihnen nichts passieren. Sie brachten sich im letzten Moment vor den Soldaten in Sicherheit; mit zwei Söhnen und einer Tochter und dem, was sie in der Eile an Wertsachen zusammenraffen konnten, flohen sie durch die Hintertür in die Freiheit. Der Rest der Familie schaffte es nicht mehr. Mein Großvater bestach einen Fischer, der ihn und Großmutter mit einem Boot nach Zypern brachte, wo sie dann irgendwie Visa für die Vereinigten Staaten bekamen. Sie hatten ein wenig Geld und ein paar Schmuckstücke – und viele Talente. Großmutter lebt noch – und kann es im Feilschen mit jedem aufnehmen.«
»Ihr Großvater war Kaufmann?« fragte Dunross. »War es das, was das Interesse für das Geschäft in Ihnen weckte?«
»Sobald wir daran denken konnten, unsere Bedürfnisse selbst zu befriedigen, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, wurde es uns gnadenlos eingepaukt. In Providence startete Großvater eine Fabrik, in der er Linsen und Mikroskope herstellte, und eine Import-Export-Gesellschaft, die
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