Hongkong 02 - Noble House Hongkong
sich auf Teppiche und Parfüms spezialisierte. Noch so nebenbei betrieb er einen kleinen Handel mit Gold und Edelsteinen.
Mein Vater stellte Schmuck her, den er selbst entwarf. Er ist tot. Damals hatte er einen eigenen kleinen Laden in Providence, mein Onkel Bghos arbeitete mit Großvater. Seit Großvaters Tod führt mein Onkel das Import-Export-Geschäft. Meine Schwester und ich, wir wuchsen in einer Welt auf, in der es darum ging, zu feilschen, zu verhandeln und Profit zu machen. Es war ein aufregendes Spiel, an dem wir als Gleichgestellte teilnahmen.«
»Wo haben Sie Ihre kaufmännischen Kenntnisse erworben?«
»Da und dort«, antwortete sie. »Nach meinem Abgang von der Highschool besuchte ich zwei Jahre eine Handelsschule in Providence: Stenographie, Maschineschreiben, einfache Buchführung, Ablage nach Sachgebieten und ähnliche Grundbegriffe des kaufmännischen Lebens. Aber von dem Tag an, da ich rechnen konnte, arbeitete ich abends, an Feiertagen und Wochenenden in Großvaters Geschäften. Er brachte mir bei, zu denken, zu planen und das Geplante in die Wirklichkeit umzusetzen. Nach der Schule besuchte ich natürlich Spezialkurse, die mich interessierten.«
»Wie haben Sie es geschafft, Handelsbevollmächtigte von Par-Con Industries zu werden?« erkundigte sich Dunross.
»Mit Scharfsinn«, antwortete sie, und alle lachten.
»Casey ist eine fanatische Arbeiterin«, sagte Bartlett. »Im Schnell-Lesen ist sie ein As und nimmt dadurch mehr Informationen auf als zwei normale Direktoren. Sie riecht es, wenn Gefahr im Verzug ist, sie hat keine Angst, Entscheidungen zu treffen, zieht es vor, einen Handel abzuschließen, statt ihn aufzukündigen, und sie errötet nicht so schnell.«
»Das ist meine beste Eigenschaft«, bemerkte Casey.
»Aber kommt Sie das nicht sehr hart an?« fragte Gavallan. »Müssen Sie nicht als Frau eine Menge Zugeständnisse machen, um vorne zu bleiben? Es kann für Sie nicht leicht sein, sich in einem Männerjob zu bewähren.«
»Ich sehe meinen Job nicht als Männerjob«, konterte sie. »Frauen haben genauso viel Verstand und können das gleiche Arbeitspensum bewältigen wie Männer.«
Casey erntete gutmütigen Spott von Linbar und Gavallan, aber Dunross gebot ihnen Schweigen. »Lassen wir das Thema für später«, sagte er. »Wie sind Sie nun wirklich zu dieser Position bei Par-Con gekommen, Casey?«
Soll ich dir die wahre Geschichte erzählen, du Nachkomme Dirk Struans, des größten Piraten Asiens, oder soll ich dir die erzählen, die mittlerweile zur Legende geworden ist? fragte sie sich.
Dann begann Bartlett zu erzählen, und sie wußte, daß sie sich ruhig treiben lassen konnte, denn sie hatte seine Version schon hunderte Male gehört. Zum Teil entsprach sie der Wahrheit, zum Teil war sie falsch, und zum Teil hätte er gewünscht, daß es so gekommen wäre. Wie viele von deinen Legenden sind wahr, Ian Dunross – die von der »Hexe« und Dirk Struan? Und wie ist nun deine wahre Geschichte? Sie nippte an ihrem Port, genoß die ölige Süße und ließ ihre Gedanken wandern.
»Ich sah Casey zum erstenmal vor etwa sieben Jahren in Los Angeles, Kalifornien«, hatte Bartlett begonnen. »Ich hatte einen Brief von einer gewissen Casey Tcholok, Präsidentin von Hed-Opticals in Providence bekommen, sie wollte mit mir über einen Firmenzusammenschluß sprechen. Ich war damals im Baugeschäft im Raum Los Angeles tätig – Wohnbauten, ein paar Bürohäuser, Einkaufszentren und was eben so kam. Unser Umsatz betrug 3,2 Millionen, und ich hatte mein Unternehmen vor kurzem in eine Aktiengesellschaft umgewandelt – aber ich war noch meilenweit vom großen Anschlagbrett entfernt, als …«
»Sie meinen die Börse in New York?«
»Ja. Da kommt also Casey mit blitzenden Augen bei der Tür herein, sagt, sie möchte, daß ich mit Hed-Opticals fusioniere, einer Firma, die, laut ihren Angaben, im vergangenen Jahr einen Umsatz von 277.600 Dollar gemacht hatte. Dann würden wir beide zusammen Randolf Opticals auf den Leib rücken, einem Konzern, der in dieser Branche eine dominierende Stellung einnimmt – 53 Millionen Umsatz, zugelassen an der New Yorker Börse, eine dicke Scheibe vom Optikmarkt und Unmengen von Bargeld in der Bank – und ich sage, Sie sind verrückt, aber warum gerade Randolf? Erstens, sagt sie, weil sie Aktionärin von Bartlett Constructions sei – sie hatte zehn Ein-Dollar-Aktien gekauft – ich hatte damals 1 Million Aktien ausgegeben und 500.000 davon bereits zum
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