Hongkong 02 - Noble House Hongkong
seufzte. »Ich habe gehört, daß er 5.000 Dollar gezahlt hat, um an die Spitze der Liste gesetzt zu werden.«
» Ayeeyah, das ist mehr als das Übliche. Warum?«
»Scheinbar wurde ihm auch ein amerikanischer Paß versprochen, sobald die fünf Jahre um sind, und es nicht allzu viele Schwierigkeiten mit seinem Englisch gibt. Du weißt ja, daß er kein Englisch kann …«
»Diese Hurenböcke aus dem Goldenen Land – sie melken, aber sie sind nicht organisiert. Diese Leute haben keinen Stil«, mokierte sich Tangpo. »Da und dort ein Visum oder zwei – wo man doch genau weiß, daß man es zum richtigen Zeitpunkt und mit der richtigen Spende kaufen kann. Also warum machen sie es dann nicht ordentlich wie zivilisierte Leute? Zwanzig Visa die Woche – sogar vierzig … sie sind alle blöd, diese fremden Teufel!«
» Dew neh loh moh, du hast recht!« stimmte Sergeant Lee ihm zu, während er sich im Geist ausmalte, wieviel er melken könnte, wenn er in der Visaabteilung des amerikanischen Konsulats in Hongkong Vizekonsul wäre. »Iiii!«
»Wir sollten einen zivilisierten Menschen in diesem Amt haben, dann würden wir bald wie Mandarine leben und in San Francisco für Ruhe und Ordnung sorgen«, erklärte Tangpo, und alle lachten mit ihm. Dann fügte er ärgerlich hinzu: »Wenigstens sollten wir einen ganzen Mann dort sitzen haben, nicht einen, der gern einen dampfenden Stiel in seiner schwarzen Kammer hat oder seinen in der eines anderen!«
Sie lachten noch ausgelassener. »He«, rief einer von ihnen, »ich habe gehört, sein Spielkamerad sei der junge fremde Teufel Stinknase Schweinebauch vom Amt für öffentliche Arbeiten – ihr wißt ja, der Kerl, der Baugenehmigungen verkauft, die es gar nicht geben dürfte!«
»Das sind alte Kamellen, Tschan, sehr alte Kamellen. Sie haben sich mittlerweile auf gefährlichere Weideplätze begeben. Nach letzten Berichten steht der Paradiesschlüssel unseres Vizekonsuls in enger Verbindung mit einem jungen Mann …« und Tangpo setzte mit spitzen Lippen hinzu: »… Sohn eines prominenten Wirtschaftsprüfers, der auch ein prominenter Kommunist ist.«
»Iiiii, das ist nicht gut«, sagte Lee, der sofort wußte, um wen es sich handelte.
»Nein«, pflichtete Tangpo ihm bei. »Schon allein darum nicht, weil ich gestern erfahren habe, daß der junge Mann gleich hier um die Ecke eine Absteige hat. In meinem Bezirk! Und mein Bezirk hat die niedrigste Verbrechensrate von allen!«
»Das ist richtig«, riefen alle stolz.
»Sollte man mit ihm reden, Älterer Bruder?« fragte Lee.
»Nein, nur streng überwachen. Ich möchte alles über die beiden wissen. Sogar wenn sie rülpsen.« Tangpo seufzte. Er gab Sergeant Lee die Adresse. »Da ihr alle da seid, habe ich beschlossen, den Zahltag von morgen auf heute vorzuverlegen.« Er öffnete die große Tasche, die eine Anzahl Banknoten enthielt. Jeder bekam seine Besoldung als Polizist zuzüglich der genehmigten Spesen.
Von 300 HK im Monat ohne Spesenersatz konnte kein Constabler auch nur eine kleine Familie ernähren, die Miete für eine winzige Zweizimmerwohnung mit einem einzigen Wasserhahn und ohne sanitäre Einrichtungen bezahlen und ein Kind zur Schule schicken. Er konnte unmöglich etwas an notleidende Eltern, Großeltern oder Onkel in seinem Heimatdorf in Kwantung schicken, von denen viele vor langen Jahren ihre gesamten Ersparnisse geopfert hatten, um ihm den gefährlichen Start auf der holprigen Straße nach Hongkong zu ermöglichen.
Tangpo war einer von ihnen gewesen. Er war sehr stolz darauf, daß er als Sechsjähriger ganz allein die Reise überlebt, seine Verwandten gefunden hatte und als Achtzehnjähriger – vor sechsunddreißig Jahren – zur Polizei gegangen war. Er hatte der Königin treu, der Polizei korrekt und dem japanischen Feind während der Besetzung überhaupt nicht gedient und stand jetzt an der Spitze eines wichtigen Reviers in der Kronkolonie Hongkong. Er war geachtet und reich und unterstützte seine Familie in Kwantung. Das Wichtigste aber war, daß sein Tsim-Sha-Tsui-Revier weniger ungelöste Raubüberfälle, weniger ungelöste Körperverletzungen, Verstümmelungen und blutige Auseinandersetzungen zwischen Triaden aufzuweisen hatte als jeder andere Bezirk. In vier Jahren hatte es nur drei Mordfälle gegeben, und alle drei waren aufgeklärt, die Schuldigen verhaftet und verurteilt worden. Es gab so gut wie keine Einbrüche, kein fremder Teufel, der sich als Tourist in Hongkong aufhielt, wurde hier
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