Honig
zurück.
Der Alptraum beginnt damit, dass sie bei ihm zu Hause auftaucht und ihm vor Molly und den Kindern eine Szene macht. Sie schreibt Briefe an Molly und auch an Edmund, sie belästigt die Kinder auf dem Schulweg, sie ruft mehrmals täglich an, oft in den frühen Morgenstunden. Jeden Tag steht sie vor dem Haus und wartet, dass einer aus der Familie sich nach draußen wagt, den sie ansprechen kann. Die Polizei unternimmt nichts, weil Jean angeblich gegen kein Gesetz verstößt. Jean folgt Molly zu ihrem Arbeitsplatz – sie ist Rektorin einer Grundschule – und macht ihr auf dem Pausenhof eine schreckliche Szene.
Zwei Monate vergehen. Ein Stalker kann eine Familie ebenso leicht zusammenschweißen wie zerstören . Doch in dieser Ehe sind die Bande noch zu schwach, der Schaden der vergangenen Jahre noch nicht repariert. Diese Heimsuchung, erklärt Molly Edmund in einer letzten offenen Aussprache, habe er über ihre Familie gebracht. Sie müsse nicht nur die Kinder schützen, sondern auch ihre eigene geistige Gesundheit und ihren Job. Ein zweites Mal fordert sie ihn auf zu gehen. Er gibt zu, dass die Situation unerträglich ist. Als er mit seinen Koffern das Haus verlässt, wartet draußen Jean auf ihn. Er winkt ein Taxi herbei. Nach heftigem Gerangel – Molly beobachtet es vom Fenster aus – zwängt Jean sich neben Edmund, dem sie das Gesicht zerkratzt hat, in den Wagen. Während der ganzen Fahrt nach Chalk Farm, zurück zu der Wohnung, die für Jean der Tempel ihrer Liebe ist, weint er um seine Ehe. So bekommt er gar nicht [157] mit, dass Jean ihm tröstend den Arm um die Schulter legt und ihm verspricht, ihn immer zu lieben und immer bei ihm zu bleiben.
Nun, da sie zusammenleben, ist sie vernünftig, pragmatisch und liebevoll. Eine Zeitlang ist kaum vorstellbar, dass diese schrecklichen Dinge jemals passiert sind, und in seiner Not ist es für Edmund ein Leichtes, sich in Jeans fürsorgliche Arme sinken zu lassen und wieder ihr Geliebter zu werden. Aber gelegentlich zog es sie doch hinauf zu den dunklen Wolken, in denen sich diese Gefühlswirbelstürme zusammenbrauten. Auch seine rechtsgültige Scheidung trägt nichts zu Jeans Seelenfrieden bei. Edmund fürchtet ihre explosiven Ausbrüche und tut alles, um sie zu verhindern. Wann rastet sie aus? Wenn sie glaubt, dass er an eine andere Frau denkt, dass er eine andere Frau ansieht, wenn er spät von einer Nachtsitzung im Unterhaus zurückkommt, wenn er mit seinen linken Freunden trinken geht, wenn er den Termin für die standesamtliche Trauung ein weiteres Mal verschiebt. Er hasste Streit und war von Natur aus faul, und so zwangen ihn ihre Eifersuchtsausbrüche nach und nach in die Knie. Das vollzieht sich langsam. Es ist schlicht einfacher, sich von alten Geliebten, die zu Freundinnen geworden sind, fernzuhalten, ebenso wie von Kolleginnen; es ist einfacher, die Abstimmungsglocke und die Belange der Fraktion und seiner Wähler zu ignorieren, ja sogar einfacher, zu heiraten, als die Konsequenzen eines weiteren Aufschubs – diese beängstigenden Unwetter – zu ertragen.
Bei der Wahl von 1970, die Edward Heath an die Macht bringt, verliert Edmund seinen Sitz im Unterhaus; sein [158] Büroleiter erklärt ihm unter vier Augen, beim nächsten Mal werde ihn die Partei nicht mehr aufstellen. Das frischvermählte Paar zieht nach Sussex in Jeans reizendes Haus. Er ist jetzt finanziell von ihr abhängig. Bei der U-Bahn-Führer-Gewerkschaft und anderen Freunden in der Linken ist er nicht mehr besonders gut angeschrieben. Umso besser, denn seine luxuriöse Umgebung ist ihm peinlich. Besuche seiner Kinder enden regelmäßig in hässlichen Szenen, und so reiht er sich nach und nach in jenes klägliche Heer apathischer Männer ein, die ihre Kinder im Stich lassen, um ihre zweite Ehefrau bei Laune zu halten. Es ist für ihn auch einfacher, wöchentlich in den Gottesdienst zu gehen, als noch mehr Streit über sich ergehen zu lassen. Nachdem er die fünfzig überschritten hat, beginnt er sich für die Rosen in seinem ummauerten Garten zu interessieren und wird zum Experten für die Karpfen im Wassergraben. Er lernt reiten, auch wenn er das Gefühl nie ganz loswird, zu Pferd eine lachhafte Figur abzugeben. Das Verhältnis zu seinem Bruder Giles allerdings ist so gut wie nie zuvor. Und was Jean betrifft, wenn sie in der Kirche während des Segens im Anschluss an Reverend Alfredus’ Predigt unter halbgeöffneten Lidern verstohlen ihren Edmund ansieht, der neben ihr kniet, dann
Weitere Kostenlose Bücher