Honigmilch
Severins Laptop und schaltete ihn an. Weiter kam sie nicht.
Sie scheiterte am Passwort.
Stell es zurück, das Ding da!
Wenn hier bloß Dateien drauf sind, die Severin für die Schule braucht, müsste er sie doch nicht extra mit einem Passwort sichern, dachte Fanni.
Leo könnte so ein Passwort sicher knacken!
Leo sitzt in München, gut zwei Stunden Bahnfahrt von hier.
Fanni sah ein, dass sie Farbe bekennen musste, wenn sie wissen wollte, was sich hinter diesem Passwort versteckte.
Sie wollte es wissen.
Sie packte den Laptop in ihre Reisetasche, verließ ihr Zimmer, eilte durch den Hotelausgang und brachte ihr Diebesgut zu Sprudel aufs Polizeirevier.
Wenig später befand sich Severins Laptop auf dem Weg zu den Spezialisten.
Gegen halb zwölf Uhr parkte Sprudel den Mietwagen beim Wildgehege von Scheuereck, dort sagte er zu Fanni: »Doc Haller hat mir neulich einen recht gemütlichen Weg zum Falkensteingipfel beschrieben. Die Route verläuft etliche Höhenmeter oberhalb des Höllbachs an seinem Ostufer entlang und führt über den Albrechtschachten zum Falkenstein.«
»Er weiß ja bestens Bescheid im Nationalpark«, entgegnete Fanni. »Wohnt er nicht erst seit zwei Jahren hier?«
»Doch«, sagte Sprudel, »aber seither verging kein Tag, an dem er nicht durch den Wald gewandert wäre, hat er mir erzählt. Er kennt inzwischen jeden Schachten zwischen Osser und Lusen und hat mir einen langen Vortrag darüber gehalten, wie sie entstanden sind.«
Sprudel schulterte seinen Rucksack.
»Gnadenlos abgeholzt«, sagte Fanni.
Sprudel zog belustigt die Brauen hoch. »Man brauchte halt dringend Hochweiden für das Vieh. Der Ruckowitzschachten wurde bereits 1613 aus dem Urwaldgebiet am Falkenstein herausgerodet. 1619 schlugen Holzfäller oberhalb des Dörfchens Buchenau den Lindberger Schachten. An die hundert solcher Lichtungen soll es gegeben haben.«
Sprudel schwenkte auf den Weg ein, der vom Hirschgehege zum Falkenstein führte.
Sie stiegen gemächlich bergan, und nach etwas mehr als einer Stunde öffnete sich der Albrechtschachten vor ihnen. Fanni blieb stehen und ließ den Blick über Heidelbeerstauden schweifen, über strohige Halmbüschel bis hinüber zu dem umgestürzten Baumriesen, der das obere Drittel des Schachtens vom Rest der Grasfläche abtrennte. Sonnige Flecken sprenkelten das etwas gelbstichige Grün.
»Wollen wir uns …?«, begann Fanni und brach erschrocken ab. Sprudel hatte sich umgewandt und hechtete auf eine niedrige Buschreihe an der gegenüberliegenden Seite des Weges zu. Im nächsten Augenblick kniete er am Boden, streifte seinen Rucksack ab und beugte sich über einen olivgrünen Ballen. Fanni trat zögernd näher.
»Komm, hilf mir!«, rief Sprudel.
Sprudel hob den Oberkörper des Nationalparkrangers ein Stück an, und Fanni schob den Rucksack unter Kopf und Schultern des Bewusstlosen. Der Stellungswechsel brachte ihn zu sich.
»Was …?«, fragte er und fuhr sich mit dem Handrücken über Stirn und Augen.
»Sie lagen ohnmächtig hier im Buschwerk«, erklärte ihm Sprudel, griff nach der Feldflasche, die neben dem Ranger lag, und gab ihm zu trinken.
»Mir war schlecht – seit dem frühen Morgen schon«, sagte der und setzte sich auf. »Ich bin Streife gegangen, und auf einmal ist mir ganz schwarz vor Augen geworden. Aber ich kann mich gar nicht erinnern, wie ich hier hinter die Büsche gekommen bin.«
»Ich rufe die Bergwacht.« Sprudel kramte nach seinem Handy.
»Die Diensthütte ist nur an den Wochenenden und zu den Feiertagen besetzt«, sagte der Nationalparkranger. »Aber ein Kollege von mir hat den Max vor ungefähr einer Stunde im Geländewagen zur Schutzhütte gebracht. Er muss noch in der Nähe sein. Ich ruf ihn an.« Er angelte nach seinem eigenen Handy.
»Sie sehen ziemlich angeschlagen aus«, sagte Fanni, nachdem er telefoniert hatte. »Sie sollten sich zu einem Arzt bringen lassen.«
Der Ranger nickte. »Ehrlich gesagt fühle ich mich schon seit Tagen beschissen. Fiebrig und matt und schwindelig.«
Fanni und Sprudel warteten gemeinsam mit dem Nationalparkranger, bis der Geländewagen seines Kollegen über die Forststraße heranzuckelte. Nachdem der kranke Ranger eingestiegen war, reichte ihm Sprudel die Feldflasche in den Wagen, und Fanni wünschte ihm gute Besserung.
Fanni und Sprudel liefen eine ganze Weile schweigend dahin.
Sie ließen den Albrechtschachten rechter Hand zurück und kamen über eine Steilstufe auf ein Plateau, auf dem die verwitterten
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