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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Rachelkapelle aufgetaucht. Das Kirch- lein klebte wie ein Bauklötzchen auf einem winzigen Vorsprung in der Rachelseewand. Ein Schutzgeländer begrenzte die Plattform auf drei Seiten.
    Sprudel zwängte sich in den engen Durchgang zwischen Kapelle und Geländer, bog um die Ecke und lehnte sich an die Brüstung. Gut hundert Meter tiefer lag der Rachelsee.
    Jetzt schimmerte er grünlich blau.
     
    Fanni und Sprudel kehrten erst gegen halb fünf nach Zwiesel zurück.
    Als sie an der Glasfachschule vorbeifuhren, fragte sich Fanni, ob ihre Vermutung bezüglich Severins Aktivitäten im Netz nicht doch zutraf. Besaß er einen Laptop, den er für Internetbetrügereien verwendete und den er gut versteckt hielt? In der Schule beispielsweise. Gab es in Ausbildungsstätten nicht meist verschließbare Spinde für die Schüler?
    Beim Hotel stieg Fanni aus dem Wagen, folgte Sprudel an die Rezeption, nahm ihren Zimmerschlüssel entgegen und ging nach oben.
    Sie stellte den Rucksack ab und begann, den linken Wanderschuh aufzuschnüren. Plötzlich hielt sie inne, dann band sie ihn wieder zu.
    Fanni!
    Nur ein kurzer Blick hinein, ob es Spinde gibt.
    Willst du dich als Quarzlieferantin ausgeben?
    Fanni eilte aus dem Hotel und den kleinen Hügel zur Fachschule hinunter.
    Schon von Weitem ließ sich erkennen, dass die Schule geschlossen war.
    Was hast du erwartet? Es ist nach fünf.
    Fanni umrundete das Gebäude.
    Kein Durchschlupf.
    Enttäuscht trat sie den Rückweg an, nahm den Pfad durch die nördliche Ecke des Stadtparks. Plötzlich merkte sie, dass schwarze Regenwolken aufgezogen waren. Deshalb war es wohl schon so dunkel hier im Park – so leer und so still. Unheimlich still.
    Hast du Angst, Fanni Rot? Fürchtest du Orks, Riesenkäfer, Killerbäume? Das ist ein Park mitten im Ort!
    Dennoch beschleunigte sie ihre Schritte.
    Fühlst du dich beobachtet, Fanni Rot?
    Sie sprang auf einen Steg, der über ein Bächlein führte, und begann hinüberzuhasten. Sie hatte die andere Seite schon fast erreicht, da traf sie von hinten ein Schlag an der Schulter.
    Fanni griff instinktiv nach dem Geländer, das an einer Seite des Stegs entlanglief. Bevor sie sich festhalten konnte, kam der zweite Schlag. Sie schlitterte quer über die Holzplanken zur ungeschützten Seite des Brückleins, schoss über den Rand hinaus und landete einen knappen Meter darunter auf Händen und Knien im schlammigen Wasser des nahen Ufers.
    Ein Stein knallte auf ihren Rücken. Ein weiterer bohrte seine Spitze in ihren Oberarm.
    Deckung!
    Fanni krabbelte auf allen vieren unter den Steg und schob sich, das Brücklein als Dach benutzend, ans trockene Ufer. Hinter sich hörte sie Geröll ins Wasser prasseln.
    Mach, dass du wegkommst, der Steg stürzt ein!
    Fanni hielt sich an einem Weidenzweig fest und zog sich die Uferböschung hoch.
    Im Schutz des Weidenstammes warf sie einen Blick zurück auf die Brücke. Sie lag verlassen da. Und sie war völlig intakt.
    Strolche! Lausebengel!
    Du scheinst ja enorme Anziehungskraft auf das Aggressionspotenzial kleiner Jungs auszuüben!
    Als sich Fanni den nassen Sand von ihrer Hose wischen wollte, merkte sie, dass ihre Hände brannten. Abschürfungen zogen sich über Ballen und Fingerkuppen. Sie nahm ihr Halstuch zum Abputzen der Hose zu Hilfe.
    Ein wenig außer Atem, aber durchaus ansehnlich kehrte sie zum Hotel zurück.
    Trotzdem, dachte sie und beschloss, den Hintereingang zu nehmen. Dort traf sie auf Franz, der eben mit einer Schüssel voll Fleischabfälle heraustrat.
    »Frau Rot«, rief er, »Sie müssen heute Abend unbedingt meinen Wilderertopf bestellen. Die Hirschlende ist zarter als junge Gemüsetriebe. Ich reserviere zwei Portionen für Sie.« Franz stellte die Schüssel ab, neigte sich Fanni zu und flüsterte: »Haben Sie und der Herr Kommissar was entdeckt, das meinen Neffen entlasten könnte?«
    Fanni schüttelte bedauernd den Kopf und wollte schon an Franz vorbei ins Hotel gehen, als ihr etwas einfiel.
    »Ist Severin eigentlich immer mit dem Auto zur Schule gefahren?«, fragte sie.
    »Im Sommer nur ganz selten«, antwortete Franz. »Im Sommer hat er das Fahrrad genommen.«
    »Aber hatte er da nicht eine Menge mitzuschleppen? Bücher, Hefte, eigenes Werkzeug vielleicht, Regenjacke …«
    Franz lachte. »Die Regenjacke, ja, die hat er meistens zu Hause vergessen. Und dann hat er sich immer einen alten Anorak von mir ausgeliehen, bis ihm der Chef einen von den Schränken in dem kleinen Flur neben der Küche überlassen

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