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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Begeisterung gestoßen, doch dann hatte er klaglos und ganz aufgeregt
höchstpersönlich Amtshilfe geleistet.
    Winterhalters Frau hatte heute die Frühschicht im Stall übernommen,
wo Hilde, seine Lieblingskuh, trächtig war. Wenigstens kurz hatte er Frau und
Kuh noch Mut zugesprochen.
    Als er das Thomsen im Auto erzählt hatte, war er – gelinde gesagt – auf kein besonderes Interesse gestoßen. Auch sonst hatte der Chef, wie
Winterhalter ihn nun mit einem Schuss Ironie nannte, mal wieder eindrucksvoll
seine soziale Inkompetenz unter Beweis gestellt. Er hatte auf seine Fragen entweder
gar nicht reagiert oder so getan, als würde er den Dialekt nicht verstehen. Der
Höhepunkt war der in angewidertem Ton vorgebrachte Satz »Sie riechen nach
Stall« gewesen.
    Natürlich tat er das. Na und? Das war eine saubere, ehrliche und
notwendige Arbeit – genau wie die Kriminaltechnik.
    Thomsen konnte es kaum erwarten, dass sie endlich da waren.
Natürlich, weil ihn der Fall reizte, aber vor allem wegen des Geruchs im Wagen.
Schon die fünf Minuten vom Rathaus zur Sekte kamen ihm wie eine kleine stinkende
Ewigkeit vor. Wie er am frühen Morgen die halbe Stunde von Winterhalters
Bauernhof bis ins Rathaus von Großbiberbach ausgehalten hatte, konnte er sich
schon gar nicht mehr vorstellen. Nächstes Mal sollte Winterhalter sehen, wer
ihn mitnahm. Soko-Leiter Thomsen stand dafür jedenfalls nicht mehr zur
Verfügung.
    Am Zielort fühlte sich der Norddeutsche wesentlich wohler. Alles war
weiß, im großen Park sah man überall Blumen, die Sonne strahlte trotz der
frühen Stunde schon mit reichlich Kraft, und der freundliche Glatzkopf, der sie
quer durch den Park zu Lucidus’ Gemächern brachte, roch besser als
Winterhalter.
    Auch wenn Thomsen die Motive, die Menschen dazu brachten, einer
solchen Sekte beizutreten, völlig fremd waren. Er bemerkte, dass die Leute sich
hier wohl zu fühlen schienen. Alle hatten einen entspannten Gesichtsausdruck.
    »E’ wen’g zu sauber und freundlich das Ganze«, murmelte ihm
Winterhalter zu. »Fascht scho’ gekünschtelt.«
    Thomsen winkte ab.
    Dann stutzte er. Eine der im Park meditierenden Frauen in Weiß, an
denen sie eben vorbeigelaufen waren, kam ihm bekannt vor. Er versuchte, sie
sich ohne dieses wallende Gewand vorzustellen. Eine »Kundin«, mit der er
bereits beruflich zu tun gehabt hatte? Eine ehemalige Mitarbeiterin aus Kiel?
Vielleicht eine der Sekretärinnen, die es in den Schwarzwald zu dieser
Gemeinschaft verschlagen hatte?
    Thomsen konnte die Frau einfach nicht zuordnen – und das ärgerte
ihn, denn für gewöhnlich verfügte er über ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Am
liebsten hätte er die Dame sofort genauer unter die Lupe genommen, aber der
freundliche Begleiter, der sich ihnen als »Irinus« vorgestellt hatte, schien es
eilig zu haben. Natürlich, einen Sektenchef ließ man nicht warten.
    Als sie nach etwa 200 Metern das in
Richtung Wald gelegene herrschaftliche Gebäude, in dem sie schon in der Nacht
mit Lucidus gesprochen hatten, betraten, fielen den Beamten wieder die
zahlreichen Statuen ins Auge. Es war schon eindrucksvoll, gleich dem Mann
gegenüberzustehen, den die meisten dieser Statuen überlebensgroß zeigten. Als
hätte man ein Date mit Buddha persönlich, auch wenn Lucidus nur etwa die Hälfte
wog.
    An der gewölbten weißen Decke prangte die Sonne in verschiedenen
Variationen, die ihnen »das Licht der Erkenntnis anbot«, wie Irinus erklärte.
    Es war sehr still in dem dreistöckigen Haus, das im Gegensatz zu den
anderen auf dem Anwesen kein ursprüngliches Schwarzwaldhaus war. Darin
residierten die führenden »Kinder der Sonne«. Marmor spielte hier eine wichtige
Rolle. Die Schritte der Besucher hallten im Treppenhaus. Irinus trug weiße
Mokassins, die kaum Lärm machten.
    Winterhalters Schuhe hinterließen gelegentlich Erd- und Strohspuren
aus seinem Stall. Thomsen runzelte missbilligend die Stirn und kam am Ende der
Treppe zu einem harten Urteil: sein Kollege war ein Bauerntrampel ohne Sinn für
Stil, Ästhetik und Reinlichkeit. Es war sowieso immer wieder verblüffend, dass
so jemand ein doch recht sorgfältiger Ermittler und Kriminaltechniker sein
konnte.
    Die Beamten wurden in ein großes Zimmer im ersten Stock geführt. Auf
dem Tisch lag die sekteneigene Zeitung, die »Gnade des Lichts« hieß, wie sie
mit einem Blick auf die Titelseite erkennen konnten. An der Wand standen
lateinische Sinnsprüche geschrieben.
    Nach wenigen Minuten betrat Lucidus in

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