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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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sie um den Tresorschrank und wog dabei die verschiedensten Theorien ab. Ein zufälliger Beobachter würde meinen, dass sie den Schrank beschwören wollte, damit er sich von selbst für sie öffnete. Auch jetzt stand sie wieder sinnierend davor. Die Untätigkeit hatte Deborah ausgehöhlt. Sie fühlte sich töricht und nutzlos, ein Niemand. Von plötzlicher Wut gepackt, stieß sie die Spiegeltür an und knallte sie zu. Dabei blitzte etwas im Spiegel kurz auf. Sie hielt inne, packte die Tür und schwang sie wieder langsam zurück, bis sie erneut auf das merkwürdige Blitzen stieß. Es entpuppte sich als eine zurückgeworfene Spiegelung durch den auf der Kommode stehenden Sektkühler. Das brachte sie auf eine Idee.
    Sie holte ihren Kosmetik-Koffer und schob den Sektkühler beiseite. Auf der Innenseite des Kofferdeckels war ein Spiegel angebracht. Er maß nicht mehr als fünfzehn Zentimeter im Quadrat. Mehrere Minuten probierte sie herum, lief vom Tresorschrank zur Kommode und zurück zum Bett und richtete den Standort des Koffers mehrmals neu aus. Endlich hatte sie die richtige Position gefunden. Vom Bett aus konnte sie nun die Spiegelung des Zahlenschlosses des Tresors gut erkennen. Da das Schloss in Bauchhöhe angebracht war, hatte Albrecht aufgrund seiner Größe die Angewohnheit, sich hinzuknien, während er die Kombination eingab. Nun musste sie nur noch darauf warten, bis Albrecht das nächste Mal den Tresor öffnete, und sich die Zahlen einprägen.
    Den ganzen restlichen Nachmittag und Abend übte Deborah, spiegelverkehrte Zahlen aufzumalen, bis sie sie in- und auswendig beherrschte. Danach zerriss sie die Blätter in winzig kleine Fetzen und spülte sie die Toilette hinunter. Sie lächelte. Manchmal tat Wut einfach gut.
    Kurz vor Mitternacht des dritten Tages kehrte Albrecht endlich zurück. Deborah hatte sich immer für mutig gehalten. Doch jetzt hatte sie Angst und war längst zum Nervenbündel geworden.
    Doch für Jakob und Marlene riss sie sich zusammen und spielte ihre Rolle. Sie glitt nackt aus dem Bett, lief ihm entgegen und presste sich an ihn. Dass er endlich da war und sie nicht mehr allein war, hatte etwas Tröstliches. Beinahe hätte sie vor Erleichterung geweint.
    Trotzdem zwang sie sich, ihn nicht gleich mit ihren Fragen zu Marlene zu bestürmen. Albrecht legte einen Arm um sie und führte sie zum Bett zurück. Er roch nach Alkohol und Zigarrenrauch, aber da war noch ein weiterer Geruch an ihm. Er war ihr weder angenehm noch unangenehm, vielmehr wirkte er auf Deborah vertraut und doch war er für sie im Augenblick nicht greifbar.
    „Wie ich sehe, geht es dir schon besser. Ich brauche dringend ein Bad“, sagte Albrecht jetzt. „Schlaf du weiter.“
    Er streifte seine Uniformjacke ab und warf sie achtlos über seine Aktentasche, die er beim Eintreten auf einem Stuhl deponiert hatte.
    Kurz darauf hörte sie im Bad das Wasser rauschen. Deborah kämpfte mit sich. Da lag die Aktentasche. Sollte sie es riskieren und hineinsehen? Immer noch unschlüssig glitt sie aus dem Bett und griff zuerst nach der Uniformjacke. Sie war feucht. Vorsichtig rieb sie darüber und betrachtete dann ihre Finger. Sie waren rot. Sie roch daran. Blut! Das war der undefinierbare Geruch gewesen! Albrecht hatte nach Blut gerochen! Übelkeit stieg in ihr auf.
    „Was tust du da?“ Albrecht war nackt in der Badezimmertür aufgetaucht.
    „Ich wollte nur deine Uniformjacke aufhängen“, erwiderte sie geistesgegenwärtig. „Aber sie muss wohl in die Reinigung. Da ist Blut daran, oder?“
    „Darüber sprechen wir morgen. Geh zurück ins Bett, Maria.“ Albrecht kam nackt auf sie zu und sah sie durchdringend an, während er nach der Aktentasche griff. Er entnahm ihr die Dokumentenmappe und sperrte sie in den Tresor.
    Leider hatte Albrecht bei seiner Rückkehr nicht das Deckenlicht eingeschaltet. Deborah hatte lediglich die Nachttischlampe brennen lassen und deshalb war es nicht hell genug für sie, um die Zahlenkombination ablesen zu können. Sie ärgerte sich, dass sie daran nicht gedacht hatte. Allerdings hatte sie auch Glück gehabt. Beinahe hätte Albrecht sie erwischt, wie sie in seiner Aktentasche schnüffelte. „Soll ich dir im Bad Gesellschaft leisten?“, zwang sie sich nun mit einem Lächeln zu sagen.
    „Nein, ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf. Später.“
    Deborahs Ungeduld siegte nun doch über ihre Vernunft und ließ sie alle Vorsicht vergessen. „Weißt du, was mit Marlene passiert ist, Albrecht? Dieser

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